Das Verhältnis der Christen zum Staat
Lukas 20, 20-26
Jürg Birnstiel
07.04.2002

Gliederung

I. Heuchlerisches Glanzstück (20-21)

II. Denkerisches Glanzstück (22-23)

III. Gottes Weisheit (24-26)

 


Einleitung

ð     Ende März ist der Termin abgelaufen, um die Steuererklärung einzureichen. Wer das noch nicht gemacht hat, der sollte dies nun schleunigst tun oder dann einen Antrag zur Fristerstreckung einreichen.

ð     Steuern sind ja eine leidige Sache, da muss man viele Formulare ausfüllen und danach wird man noch zur Kasse gebeten.

ð     Jesus ist auch einmal in Sachen Steuern angegangen worden. Diese Begebenheit werden wir heute betrachten. Wir werden heute nicht übers Geld sprechen, mit der Finanzreihe fahre ich nächsten Sonntag weiter.

ð     Wir werden heute kurz Gedanken über den Umgang miteinander machen und etwas ausführlicher über das Verhältnis als Christen zum Staat.

Text lesen: Lk.20,20-26

Da sie jedoch entschlossen waren, Jesus nicht mehr aus den Augen zu lassen, beauftragten sie einige Männer damit, ihn zu beobachten. Diese sollten sich den Anschein geben, als meinten sie es ehrlich, und sollten ihm eine Äusserung entlocken, die es ermöglichen würde, ihn dem Gouverneur zu übergeben und ihn verurteilen zu lassen.
Sie legten ihm deshalb eine Frage vor: „Meister“, sagten sie, „wir wissen, dass das, was du sagst und lehrst, richtig ist. Du lässt dich von keinem Menschen beeinflussen, wie angesehen er auch sei. Wenn du lehrst, wie man nach Gottes Willen leben soll, lässt du dich allein von der Wahrheit leiten.
Ist es nun richtig, wenn wir dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht?“
Aber Jesus durchhaute die List.
„Zeigt mir eine Silbermünze!“ sagte er zu ihnen. „Wessen Bild und Name ist hier aufgeprägt?“ Sie antworteten: „Das Bild und der Name des Kaisers.“
Da sagte Jesus zu ihnen: „Nun, dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und gebt Gott, was Gott gehört!“
Es war ihnen also nicht gelungen, Jesus vor dem Volk zu einer verfänglichen Aussage zu verleiten. Im Gegenteil, seine Antwort hatte sie so verblüfft, dass sie nichts mehr zu sagen wussten.

I.                 Heuchlerisches Glanzstück (20-21)

ð     Jesus wurde während seines Wirkens ständig scharf beobachten. Er wurde gewissermassen von einem Geheimdienst verfolgt, denn

sie waren entschlossen, Jesus nicht mehr aus den Augen zu lassen,

ð     Aber, was waren das für Leute. Matthäus berichtet, dass die Pharisäer hinter Jesus her waren.

Daraufhin kamen die Pharisäer zusammen und berieten, wie sie Jesus zu einer Äusserung verleiten könnten, die sich gegen ihn verwenden liesse. Mt.22,15.

ð     Sie waren interessiert, Jesus auszuschalten, das war nämlich ihr Plan. Sie schickten nun Schüler und Anhänger des Herodes, wie Matthäus weiter berichtet. Die Drahtzieher hielten sich also bedeckt.

Sie schickten ihr Schüler in Begleitung der Anhänger des Heroses zu ihm...  Mt.22,16.

ð     Aber was haben die Anhänger der Pharisäer und die des Herodes miteinander zu schaffen? Im Grunde waren das zwei verfeindete Bewegungen, denn die Pharisäer wollten die Unabhängigkeit von der römischen Besetzungsmacht.

ð     Die Herodianer hingegen, wollten ihre Ziele mit der römischen Besetzungsmacht erreichen.

ð     Die Herodianer waren Anhänger des Kaisers, während die Pharisäer Erzfeinde der kaiserlichen Herrschaft waren.

ð     Im Grunde verbindet diese beiden Bewegungen nichts, aber der gemeinsame Feind – Jesus – zwang sie offenbar dazu gemeinsame Strategien zu entwickeln.

ð     Solche Entwicklungen ergeben sich immer wieder, plötzlich wirken Gruppen zusammen, die sich in vielem gar nicht wirklich einig sind, aber die durch einen gemeinsamen Feind zusammenfinden. Also, sie

beauftragten sie einige Männer damit, ihn zu beobachten. Diese sollten sich den Anschein geben, als meinten sie es ehrlich, und sollten ihm eine Äusserung entlocken, die es ermöglichen würde, ihn dem Gouverneur zu übergeben und ihn verurteilen zu lassen.

ð     Ziel dieser Aktion ist eindeutig: Jesus muss von der Bildfläche verschwinden und das möglichst schnell. Sie mussten also irgend etwas finden, mit dem sie Jesus als Aufwiegler beschuldigen konnten, damit die Römer Jesus hinrichten würden.

ð     So kamen diese Mittelsmänner zu Jesus und benahmen sich so, als ob sie ein Problem bewegte und sie von Jesus in ihrer Gewissensnot eine Antwort suchten. Das nennt man in gutem Deutsch: Heuchelei! Sie fragen:

Sie legten ihm deshalb eine Frage vor: „Meister“, sagten sie, „wir wissen, dass das, was du sagst und lehrst, richtig ist. Du lässt dich von keinem Menschen beeinflussen, wie angesehen er auch sei. Wenn du lehrst, wie man nach Gottes Willen leben soll, lässt du dich allein von der Wahrheit leiten.“ 21.

ð     Sie schmieren Jesus Honig um den Mund und bilden sich ein Jesus würde sie nicht durchschauen.

ð     Was sie über Jesus sagten ist tatsächlich wahr, besser hätten sie Jesus kaum charakterisieren können. Nur sie glaubten mit keinem Wort, was sie sagten. Sie wollten mit diesem heuchlerischen Gehabe Jesus irritieren, eben, er sollte ihre wahren Beweggründe nicht erkennen.

1.                  Anwendung

ð     Was sich hier abspielt ist uns nicht unbekannt. Leute, die von uns etwas wissen möchten und wir wissen nicht genau, was sie nun wirklich wollen. Sie benehmen sich ausserordentlich freundlich, niemand kann ihnen etwas handfestes nachsagen. Diese Art von Umgang wird in einem Psalmwort beschrieben.

Süß wie Sahne sind ihre Worte, aber ihr Herz denkt nur an Krieg. Glatt wie Öl fließt ihre Rede, doch jedes Wort ist ein spitzer Dolch. (Ps 55,22)

ð     Mit schmeichlerischen Worten kann man Menschen fangen und wehrlos machen, denn niemand kann ihnen etwas wirklich konkretes vorwerfen.

ð     Gott rät dem Jeremia in solchen Situationen etwas ganz einfaches:

Denn auch deine Brüder, alle deine Verwandten, haben dich fallenlassen und haben voll eingestimmt in das Geschrei gegen dich. Sei vorsichtig, wenn sie dir freundlich kommen!« (Jer 12,6)

ð     Leider ist es auch möglich, dass Christen so miteinander umgehen. Das sollte aber nicht so sein! Wir sollten keine verdeckten Fragen stellen, sondern das fragen, was wir wirklich wissen wollen.

ð     Wenn mich etwas interessiert, dann sollten wir miteinander so ehrlich sein, dass wir unser wahres Motiv zu erkennen geben. Z.B. : Ich habe gehört du hättest diese Meinung vertreten, habe ich das richtig verstanden, denn ich sehe die Sache etwas anders.

ð     Wir sind nicht die einzigen Christen die noch im Umgang miteinander zu lernen haben. Paulus musste schon den Ephesern sagen:

Was bedeutet das im einzelnen? Legt das Lügen ab und sagt zueinander die Wahrheit; denn wir alle sind Glieder am Leib von Christus. (Eph 4,25)

ð     Vor Menschen können wir unsere Motive verbergen, aber nie und nimmer vor Gott.

II.             Denkerisches Glanzstück (22-23)

ð     Nun stellen sie Jesus die Frage, die die Pharisäer ausgedacht hatten:

Ist es nun richtig, wenn wir dem Kaiser Steuern zahlen oder nicht?“ 21.

ð     Diese Frage ist ein denkerisches Glanzstück. Jesus könnte lediglich mit einem JA oder NEIN antworten, so stellten es sich die Pharisäer jedenfalls vor.

ð     Ob Jesus nun mit JA oder NEIN antworten würde: die Falle schnappt zu! Er wird in jedem Fall Schach Matt gesetzt. Solche Fallen sind im Jesaja bildlich beschrieben.

Eure Anschläge sind so tödlich wie die Eier giftiger Schlangen: Wer davon isst, muss sterben, und wenn man eins zerdrückt, schlüpft eine Otter heraus... (Jes 59,5)

ð     Es war tatsächlich ein sehr cleverer Schachzug der Pharisäer, das muss man ihnen neidlos zugestehen.

ð     Hätte Jesus die Steuerabgabe befürwortet, so verklagten ihn die Pharisäer beim Volk als einen, der die Rechte Gottes und die Hoffnungen Israels verleugnete und deshalb nicht der Messias sein kann.

ð     Würde Jesus aber das Steuerzahlen verbieten, so verklagten ihn die römerfreundlichen Herodianer, sie hätten Jesus sofort bei Pilatus als ein Aufwiegler verklagt und den Tod gefordert.

ð     Ein Beispiel war schon bekannt, von einem Mann Namens Judas, der Begrüder der Zeloten, von ihm lesen wir bei Josephus:

...ein Mann aus Galiläa mit Namen Judas verleitete die Einwohner...zum Abfall, indem er es für einen Frevel erklärte, wenn sie bei der Steuerzahlung an die Römer bleiben und nach Gott irgendwelche sterbliche Gebieter auf sich nehmen würden.[1]

ð     Judas vertrat also die Gesinnung der Pharisäer und in der Apg. sehen wir, wie es diesem Judas ergangen ist:

Danach stand Judas der Galiläer auf in den Tagen der Volkszählung und brachte eine Menge Volk hinter sich zum Aufruhr; und der ist auch umgekommen, und alle, die ihm folgten, wurden zerstreut. Apg.5,37.

ð     Genau das würde mit Jesus geschehen. Wenn er zur Verweigerung der Steuerzahlung aufrufen würde.

ð     Also sowohl ein JA, wie ein NEIN, wären für Jesus tödlich.

ð     Erschreckend, wie die Bosheit des Menschen zu genialen geistigen Leistungen befähigt.

ð     Doch Jesus konnten sie nicht täuschen, er erkannte ihre Hinterhältigkeit.

1.                  Evangelisation

ð     Wer in dieser Art Jesus begegnet, wird nie erkennen, wer Jesus wirklich ist. Wer nur Argumente gegen Jesus sucht, verschliesst sich den Zugang zu ihm.

ð     Wer aber mit aufrichtigen Fragen zu Jesus kommt. Wer wirklich verstehen will, wer Jesus ist, der wird ihm begegnen. Der wird von Gott beschenkt werden. Jesus sagte selbst:

Denn jeder, der bittet, empfängt, und wer sucht, findet, und wer anklopft, dem wird geöffnet. Lk.11,10.

III.          Gottes Weisheit (24-26)

ð     Die Spannung bei den Mittelsmännern und deren Auftraggeber war gross. Was würde Jesus jetzt antworten? Aber wie immer hatten sie Jesus komplett unterschätzt, denn

Aber Jesus durchhaute die List.

ð     Und sagt ihnen:

„Zeigt mir eine Silbermünze!“ sagte er zu ihnen. „Wessen Bild und Name ist hier aufgeprägt?“ Sie antworteten: „Das Bild und der Name des Kaisers.“
Da sagte Jesus zu ihnen: „Nun, dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und gebt Gott, was Gott gehört!“

ð     Völlig verdattert standen sie da, damit hatten sie überhaupt nicht gerechnet. Alles war so gut durchdacht. Sie meinten es gäbe wirklich nur zwei Antworten: ein JA oder ein NEIN. Statt sie Jesus verklagen konnten, belehrt Jesus beide Bewegungen.

ð     Denn Pharisäern sagt er: Ihr, die Ihr die römischen Müntzen in die Hände nehmt und damit kauft und verkauft, wenn Euch der Kaiser so zuwider ist, dann:

Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist!

ð     Den Herodianern, die ihre Hoffnung auf das römische Reich setzten, sagt er:

Gebet Gott, was Gottes ist!

Es war ihnen also nicht gelungen, Jesus vor dem Volk zu einer verfänglichen Aussage zu verleiten. Im Gegenteil, seine Antwort hatte sie so verblüfft, dass sie nichts mehr zu sagen wussten.

ð     Still zogen sie sich zurück, um den nächsten Plan auszuhecken.

1.                  Anwendung

ð     Jesus entzog sich sehr weise einer äusserst knifflige Frage und er zeigt uns mit seiner Antwort etwas ganz wichtiges, nämlich: Das Reich Gottes oder auf uns heute bezogen, die Gemeinde Jesu, in dieser Welt keine politische Bewegung ist.

ð     Jesus wollte weder die damaligen Staaten umkrempeln, noch wollte er einen Staat im Staat aufrichten. Jesus war eben nicht in dem Sinne ein Revolutionär, wie ihn viele gerne hätten. Seine Revolution war nicht eine Revolution der Systeme, sondern eine Revolution der Herzen.

ð     Bei Jesus werden nicht Systeme und Strukturen verändert. Jesus verändert Menschen. Das ist eine viel schwierigeres Unternehmen, das nicht mittels Gewalt durchgeführt werden kann.

ð     Jesus praktiziert, was Paulus den Christen in Rom erklärt:

Jeder soll sich der Regierung des Staates, in dem er lebt, unterordnen. Denn alle staatliche Autorität kommt von Gott, und jede Regierung ist von Gott eingesetzt. Rö.13,1.

ð     Er fährt dann fort:

Gebt jedem das, was ihr ihm schuldet. Zahlt dem, der Steuern einzieht, die Steuern, zahlt dem Zollbeamten den Zoll, erweist dem Respekt, dem Respekt zusteht, und erweist dem Ehre, dem Ehre zusteht. Rö.13,7.

ð     Das heisst nicht, dass sich Christen in einem demokratischen Staat nicht einbringen sollen. Aber es heisst, dass sie das mit der nötigen Vorsicht tun sollen.

ð     Eines muss uns ohnehin klar sein: Es wird nie wirklich einen christlichen Staat geben. Hoffentlich wird es immer Christen geben, die sich für politische Ämter zur Verfügung stellen, aber einen christlichen Staat, der sich in allem Bereichen an die Ordnungen Gottes hält, wird es nicht geben. Das wird dann im Himmel sein, wenn das Reich Gottes für alle sichtbar sein wird.

ð     Ordnungen, die für die Gemeinde gelten, kann man nicht einfach auf den Staat übertragen. Verlangen wir das vom Staat, dann werden wir zu einer revolutionären Bewegung. Das wollte Jesus gerade nicht.

ð     Wir als Gemeinde sind herausgefordert eine alternative Gemeinschaft zu bilden, die sich an den Ordnungen Gottes orientiert, das ist schon eine sehr grosse Herausforderung.

ð     Welche Meinungen und wie wir unsere Meinungen über Ethische und Politische Fragen äussern, müssen wir sehr vorsichtig und weise sein. Grosse Vorsicht ist geboten, wenn wir beanspruchen unsere Meinung sei von der Bibel autorisiert, d.h. es sei Gottes absoluter Wille.

ð     Ob wir z.B. für oder gegen einen EU Beitritt sind, hat mit der Bibel herzlich wenig zu tun. Jesus hätte sich dazu vermutlich gar nicht geäussert. Wenn wir aber als Christen zum Beispiel erwarten, dass sie gegen die EU sind, dann verbinden Menschen, die das Evangelium nicht gut kennen und für den Beitritt sind, sie müssten mit der Hinwendung zu Christus auch einen Beitritt zur EU verneinen.

ð     Wir belasten das Evangelium damit unnötig.

Folie

ð     Übrigens: zu sagen was nicht richtig läuft ist einfach. Aber eine praktikable Lösung zu finden ist oft enorm schwierig.

ð     Wir sollen mitdenken und im Staat mitarbeiten, aber behalten wir dabei unseren eigentlichen Auftrag im Auge. Wir bauen nicht einen christlichen Staat auf. In erster Linie sollen wir Jesus nachfolgen und ihm dienen.

Schluss

ð     Zusammenfassung

ð     Übrigens wurde Jesus paradoxerweise vorgeworfen, er hätte das Volk aufgehetzt keine Steuern zu bezahlen.

Der gesamte Hohe Rat erhob sich. Sie führten Jesus zu Pilatus und trugen diesem ihre Anklage vor. „Wir haben festgestellt“, sagten sie, „dass dieser Mann unser Volk aufwiegelt; er hält die Leute davon ab, dem Kaiser Steuern zu zahlen, und behauptet, er sei der Messias und König.“ Lk.23,1-2.

ð     Jesus hat sich durch seine Antwort deutlich gemacht, dass seine Botschaft nicht unsere politischen Systeme revolutionieren will. Sein Ansatz ist bei der Veränderung des Menschen, wenn sich nämlich der Mensch ändert, werden über kurz oder lang Missstände beseitigt werden.

ð     Als Christen müssen ernsthaft überlegen, wie wir uns in unserem Staat verhalten sollen. Darüber herrscht leider viel Unsicherheit unter den Gläubigen.

ð     Achten wir darauf, dass wir dem Staat das geben, was ihm zusteht und Gott das, was ihm gehört.

ð     Eines, was wir tun egal sollten, egal wie unser Denken über unsere Stellung gegenüber Staat ist, sagte Paulus folgendermassen:

Das Erste und Wichtigste, wozu ich die Gemeinde auffordere, ist das Gebet. Es ist unsere Aufgabe, mit Bitten, Flehen und Danken für alle Menschen einzutreten, insbesondere für die Regierenden und alle, die eine hohe Stellung einnehmen, damit wir ungestört und in Frieden ein Leben führen können, das Gott in jeder Hinsicht ehrt und das in allen Belangen glaubwürdig ist. 1.Tim.2,1-2.

Amen



[1]Josephus: bell. II. 8. 1.