Warum lässt Gott Leid zu? Reihe: Warum Gott! (2/4) I. DAS GANZ NORMALE LEBEN... II. DER ANTEILNEHMENDE GOTT... III. DIE VERURSACHER DES LEIDS... IV. DER MITLEIDENDE GOTT... Einleitende Gedanken Da muss ich Roland recht geben. Mit einem Gott, der es mit uns Menschen nicht gut meint, kann man sich nicht wirklich anfreunden. Vielleicht müsste man überdenken, ob Gott wirklich für meine Arbeitsstelle zuständig sein muss. Und wenn wir das von Gott erwarten würden, dann müssten wir zumindest die Berufswahl und später die Stellensuche mit ihm abgesprochen haben. Warum Gott Leid zulässt oder nicht aktiver dem Leid entgegentritt, ist eine Frage, die Menschen seit Jahrhunderten beschäftigt. Heute wird diese Frage nicht mehr so breit diskutiert, denn viele haben sich der Überzeugung angeschlossen, dass Gott in dieser Welt keine ernsthafte Rolle spielt. Früher, in einer Zeitepoche, als der christliche Glaube und der Glaube an einen guten und allmächtigen Gott noch in unserer Gesellschaft verankert war, wurde nach grossen Katastrophen öffentlich darüber nachgedacht. Zum Beispiel nach dem zerstörenden Erdbeben am 1. November 1755, dem ein Tsunami folgte, der die portugiesische Hauptstadt Lissabon fast vollständig zerstörte und schätzungsweise zwischen 30'000 bis 100'000 Menschen starben. Damals stellte man fundamentale Fragen: Wie kann ein allmächtiger und gütiger Gott ein so gewaltiges Unglück wie das Erdbeben von Lissabon zulassen? Warum hatte das Beben die Hauptstadt eines streng katholischen Landes getroffen, das für die Verbreitung des Christentums in der Welt wirkte? Und warum überdies am Festtag der Allerheiligen? Und warum wurden zahlreiche Kirchen zerstört, aber ausgerechnet das Rotlichtviertel Lissabons, die Alfama, war verschont geblieben? Grosse Gelehrte wie Voltaire, Kant und Lessing diskutierten diese Fragen.1 Solche Fragen stellen wir heute auch, insbesondere wenn wir davon ausgehen, dass ein guter und allmächtiger Gott existiert. Gott, warum beendest du die Ausbreitung dieses Coronavirus nicht, denn du musst doch sehen, welches Ausmass diese Situation für Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft hat? Du musst doch sehen, wie viele Menschen einsam sterben müssen. Diese Krise ist im Moment für uns so nah und greifbar, wie es selten eine Krise in den vergangenen Jahrzehnten war. Doch existieren seit Jahrhunderten unzählige katastrophale Zustände in dieser Welt: Kriege, Menschen auf der Flucht nach einer neuen Heimat, Unterdrückung, Sklaven- und Menschenhandel, Kindsmissbrauch, Drogenhandel, Betrug, Totschlag, Mord. Das Elend und Leid scheint kein Ende zu nehmen. Warum machst du Gott scheinbar gar nichts gegen all diese Missstände? Wie kannst du diesem Leid untätig zusehen? Besonders treffen uns die persönlichen Schicksalsschläge, bei denen wir uns wünschten, Gott hätte sie verhindert. Eine Mutter schreibt auf einer Erinnerungswebseite ihres Sohnes, den sie vor Jahren bei einem Autounfall verloren hatte, was dieser Verlust in ihr auslöste: "Unbeschreiblicher Schmerz, dann Leere, später Wut und dann die verfluchte Frage "WARUM"?" Warum musste mein Sohn so früh sterben? Bei einem Autounfall ist es oft nur ein kurzer Augenblick der Unaufmerksamkeit, der das Leben komplett auf den Kopf stellt. Dieselbe Unaufmerksamkeit wäre fünf Sekunden später bedeutungslos gewesen. Warum verhinderte Gott das nicht? Plötzlich scheint Gott weit weg und für uns unerreichbar zu sein. In der Bibel wird auch über verzweifelte Menschen berichtet, die zu Gott schreien, weil sie den Eindruck haben, Gott würde seine Augen vor ihrem Elend verschliessen. So schreit jemand zu Gott: "Wach auf, Herr! Warum schläfst du? Wach endlich auf, verstosse uns nicht für immer! Warum weigerst du dich, uns anzusehen? Warum fragst du nicht danach, wie man uns quält und unterdrückt? Greif ein und hilf uns, mach uns frei!" Psalm 44, 24-27 Wer so betet, geht davon aus, dass es einen Gott gibt, zu dem wir schreien können. Viele Menschen schreien jedoch gar nicht mehr zu Gott, weil sie, wie Roland in unserem Sketch, denken, es würde keinen liebenden Gott geben, denn gäbe es einen guten Gott, würde er das Leid von uns abwenden. Tut er das nicht, warum soll ich dann beten? Solche Gedanken machte sich bereits Epikur, ein griechischer Philosoph, der 341 - 270 v. Chronik lebte. Es soll die erste Überlieferung sein, die sich mit diesen Gedanken beschäftigt. Er formulierte drei Thesen2 und stellte zum Schluss eine Frage, angesichts des Leids in der Welt: These 1: "Wenn Gott gut ist, kann er nicht auch allmächtig sein: denn, wenn er das Leid verhindern will, es aber dennoch existiert, kann das nur heissen, dass er das Leid nicht verhindern kann." These 2: "Wenn Gott allmächtig ist, kann er nicht auch gut sein: denn, wenn Gott das Leid verhindern kann, es aber dennoch existiert, bedeutet dies, dass er es nicht verhindern will." Und darauf folgt die dritte These: "Wenn Gott aber nicht allmächtig ist - oder nicht gut -, dann ist er auch kein Gott." Wenn Gott das Leid nicht beseitigen kann und es auch nicht beseitigen will, dann gibt es keinen Gott. Deshalb sagte Karl Georg Büchner, ein herausragender Denker des 19. Jahrhunderts, die Untätigkeit Gottes gegenüber dem Leiden sei der "Fels des Atheismus". Mit anderen Worten: Dieses Argument, ist für den Atheisten der Beweis für die nicht Existenz Gottes. Ein starkes Argument! Wobei mit dieser Überzeugung die Atheisten die Frage, woher das Leid kommt, auch nicht beantworten und das Leid wird durch die Abschaffung Gottes auch nicht erträglicher. Epikur formulierte noch eine Frage: "Wenn Gott sowohl gut, als auch allmächtig ist, wenn Gott also das Leid sowohl verhindern will und es auch kann: Woher kommt dann das Leid?" Wenn es einen guten und allmächtigen Gott gibt, der das Leid verhindern will, wie ist dann das Leid zu erklären? Das ist die Frage, der wir heute etwas nachspüren werden, denn ich bin überzeugt, dass Gott gut und allmächtig ist und dass ihm das Leid in dieser Welt nicht egal ist. Ich werde euch nicht verschiedene interessante philosophische Versuche grosser und hochintelligenter Denker erklären, sondern ich versuche heute aufgrund von biblischen Texten und Zusammenhängen eine Art Grundkonzept zu skizziere. Ich werde viele wichtige Aspekte nicht ansprechen können, da die Zeit dazu einfach nicht reicht. Es freut mich, wenn du dich trotzdem darauf einlässt. Du musst mir schlussendlich auch nicht zustimmen, aber es würde mich freuen, wenn du zumindest verstehen würdest, wie man diese Frage aufgrund biblischer Aussagen beantworten kann. I. Das ganz normale Leben... Beginnen wir mit der Erschaffung des Universums. Der erste Textabschnitt in der Bibel zeigt unmissverständlich, dass Gott die Welt erschaffen hat und der Bericht schliesst mit der Bemerkung: "Gott sah alles an, was er geschaffen hatte, und sah: Es war alles sehr gut." 1. Mose 1, 31. Das war eine vollkommene Welt ohne Krankheiten, Schmerzen und Leid. Der Höhepunkt dieser Schöpfung war die Erschaffung des Menschen. Der Mensch als ein Abbild Gottes! Der Mensch, so muss man das verstehen, ist Gott sehr ähnlich und die ersten beiden Menschen hiessen Adam und Eva. Gott forderte sie auf, die Erde zu bevölkern und sie zu verwalten. Nur eine einzige Regel mussten die beiden beachten: Im Garten Eden stand ein Baum, von dem sie nicht essen sollten, denn würden sie das tun, würden sie der Sterblichkeit verfallen. Wenn der Mensch Gott ähnlich ist, dann ist das nicht hauptsächlich aufgrund seines Aussehens, sondern aufgrund seiner Möglichkeiten. Dazu gehört die Fähigkeit zur Kreativität und die Freiheit d.h. eigenverantwortlich zu handeln. Wenn der Mensch frei sein sollte, dann musste er die Möglichkeit haben, sich von Gott zu emanzipieren. Wäre diese Möglichkeit nicht gegeben, wäre der Mensch kein Ebenbild Gottes, sondern eine Art Marionette Gottes. Vielleicht kennst du die Geschichte mit der Schlage, die Eva sagte, wenn sie von den verbotenen Früchten dieses Baumes essen würde, dann würden sie wie Gott werden, nicht mehr nur Geschöpf, sondern Schöpfer. Sie wären ihm in allem ebenbürtig. Die Schlange versprach: Ihr werdet sein wie Gott. Das fand Eva reizvoll und ass mit dem Wunsch, Gott gleich zu werden, von dieser Frucht. Nicht die Frucht, sondern die aktive Entscheidung von Eva gegen Gott, führte zu einer radikalen Trennung von Gott. Sie machten sich durch diese Tat Gott gleich. Gott sagte nämlich: "Nun ist der Mensch wie einer von uns geworden." 1. Mose 3, 22. Der Mensch hat sich von Gott gelöst und funktioniert jetzt völlig autonom. Und wie radikal sich der Mensch von Gott gelöst hat, können wir uns nicht radikal genug vorstellen. Statt die Welt zu verwalten, begann der Mensch damit, die Welt zu beherrschen. Die ganze Schöpfung wurde dadurch in Mitleidenschaft gezogen und in ein unsägliches Desaster katapultiert. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der gefallenen Schöpfung. Die Folgen: Leiden, Krankheiten, Handicaps, Ungerechtigkeiten, Totschlag, Mord usw. Die von Gott hervorragend geschaffene Welt, erlitt einen, für die nächsten Jahrtausende, irreparablen Schaden. Alle Not und alles Leid ist eine Folge dieser gefallenen Schöpfung. Insofern kann man sagen, dass das Leid zu dieser gefallenen Schöpfung gehört. Es ist wie eine tragische Folgeerscheinung der Emanzipation des Menschen von Gott. Das Leid gehört seither zum ganz normalen Leben. Obwohl das so ist, erliegen wir der Versuchung, Leid als ein direktes Eingreifen Gottes in unser Leben zu verstehen. Wie wenn Gott uns persönlich Leid zufügen würde. Dem widerspricht Jesus selbst. Als er einem blinden Mann begegnete, fragten ihn seine Jünger: "Rabbi, wie kommt es, dass dieser Mann blind geboren wurde? Wer hat gesündigt - er selbst oder seine Eltern?" Johannes 9, 2. Sie suchten nach einem Grund für die Blindheit dieses Mannes. Sie meinten, er sei blind geboren, weil Gott ihn für irgendeine Sünde strafen würde. Doch das war nicht der Fall. Jesus sagte: "Es ist weder seine Schuld noch die seiner Eltern." Johannes 9, 3. Mit anderen Worten: Es ist einfach so, in einer gefallenen Schöpfung kann man eigentlich nichts anderes erwarten. Natürlich ist das für Menschen, die von Krankheit, Depression, Handicap betroffen sind oft sehr schwierig. Auch Gefahren gehören zu unserem Leben. Sobald ich mich in ein Auto oder Flugzeug setze, gehe ich das Risiko ein, dass mir etwas zustösst, was meine Lebensqualität stark beeinträchtigen wird. Als ich einen Herzinfarkt hatte, beschäftigte mich die Frage nicht, warum Gott das zugelassen hat. Ich fragte die Ärzte, was die Ursache sein könnte. Sie meinten, das hätte mit meinem Alter zu tun, damit müsse man rechnen. Das ist das normale Leben. Ich stelle durch ein solches Ereignis Gottes Güte und Liebe nicht in Frage. Jesus sagte einmal: "Gott lässt seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen und lässt es regnen für Gerechte und Ungerechte." Matthäus 5, 45. So funktioniert unsere Welt und es ist nicht hilfreich, wenn wir für alles, was geschieht, Gott verantwortlich machen wollen. Weil unsere Welt so funktioniert, sehnen wir uns nach einer besseren Welt. Der Apostel Paulus schreibt den Christen in Rom: "Wir wissen, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch unter ihrem Zustand seufzt, als würde sie in Geburtswehen liegen." Römer 8, 22. Wir warten aber nicht untätig auf diese bessere Welt. Gott erwartet von uns und insbesondere von den Menschen, die ihm ihr Vertrauen geschenkt haben, dass wir uns dem Leid in dieser Welt entgegenstellen. In tätiger Nächstenliebe sollen wir helfen, das Leid zu lindern, soweit uns das möglich ist. Paulus fordert einen seiner Mitarbeiter auf, die reichen Christen diesbezüglich zu unterweisen: "Ermahne sie, Gutes zu tun, freigebig zu sein und ihren Besitz mit anderen zu teilen." 1. Timotheus 6, 17-18. Und den Christen in Galatien schreibt er: "Solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann." Galater 6, 10. Weltweit wurden und werden viele Hilfswerke gegründet, die durch den christlichen Glauben motiviert wurden und werden. Menschen wollen im Auftrag Gott helfen, das Leid zu lindern. Sie sind auch bereit, sich auf politischer Ebene dafür einzusetzen, damit notleidenden Menschen geholfen wird. Allein darüber, was Christen durch die Jahrhunderte taten und bis heute noch tun, um Leid zu verhindern oder es zu lindern, könnte man unzählige Bücher schreiben. II. Der anteilnehmende Gott... Der Mensch hat sich von Gott abgewandt, trotzdem bleibt Gott dem Menschen zugewandt. Er ist präsent und erreichbar. Der Apostel Paulus, der zur Zeit von Jesus vom Christenverfolger zum überzeugten Christen wurde, sagte, als er in Athen die Gelegenheit hatte, über seinen Glauben an Jesus Christus auf den Areopag zu sprechen: "Gott ist ja für keinen von uns in unerreichbarer Ferne. Denn in ihm, dessen Gegenwart alles durchdringt, leben wir, bestehen wir und sind wir." Apostelgeschichte 17, 27-28. Gott ist für uns erreichbar. Und wir dürfen Gott unsere Fragen stellen. Wir dürfen fragen, warum er in einer schwierigen Lebenssituation scheinbar nicht eingegriffen hatte. Vieles ist in meinem Leben nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt und gewünscht hätte und es beschäftigt mich manchmal schon, warum Gott nicht so eingegriffen hat, wie ich mir das vorgestellt habe. Andererseits könnte ich viel darüber berichten, wie Gott mich geführt und in meinen Augen Wunder getan hat. Jedenfalls will Gott mit uns in Kontakt kommen. Er freut sich, wenn wir mit unseren Fragen und Sorgen zu ihm kommen. So werden wir sogar aufgefordert, unsere Sorgen Gott zu übergeben. Der Apostel Petrus schreibt: "Legt alle eure Sorgen bei ihm ab, denn er sorgt für euch." 1. Petrus 5, 7. Gott ist es also nicht egal, wenn es uns nicht gut geht. Er wünscht sich, dass wir zu ihm kommen, wenn wir Hilfe brauchen und etwas von ihm möchten. Ganz wichtig: In dieser ganz normalen Welt ist uns Gott nahe und er ist bereit uns zu helfen, wenn wir von ihm Hilfe annehmen möchten. III. Die Verursacher des Leids... Nochmals zurück zum Leid in dieser Welt. Wer verursacht das meiste Leid in dieser Welt? Das ist eine wichtige Frage, denn unser Rechtsempfinden sagt uns, dass der Verursacher die Verantwortung dafür trägt, was er getan hat. Es ist nicht fair einen Sündenbock vorzuschieben. Ich bin mir fast sicher, dass du meiner Antwort zustimmen kannst: Hauptverursacher des Leides in dieser Welt sind wir Meschen. Gehen wir nochmals in der Geschichte zu den Anfängen zurück, zum ersten bekannten Mord der Menschheitsgeschichte. Kain wollte seinen Bruder Abel töten, der ihm nichts Böses angetan hatte. Gott versuchte zu intervenieren, indem er Kain von seinem Vorhaben abhalten wollte. Er sagte ihm: "Wenn du Gutes im Sinn hast, kannst du den Kopf frei erheben; aber wenn du Böses planst, lauert die Sünde vor der Tür deines Herzens und will dich verschlingen. Du musst Herr über sie sein!" 1. Mose 4, 7. Gott wollte ihn dazu bewegen, seinen Bruder in Ruhe zu lassen, aber Kain liess sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Er ermordete seinen Bruder. Der Unschuldige wird getötet und der Täter überlebt. Ist das nicht ungerecht? Klar, das ist ungerecht! Seitdem sich der Mensch von Gott emanzipiert hat, ist und bleibt diese Welt ungerecht. Verursacher des Bösen und des Leids sind meist wir Menschen und nicht Gott. Es sind Menschen, die Drogen herstellen und verkaufen und somit viele Menschen ins Elend stürzen. Es sind Menschen, die Völker unterdrücken. Es sind Menschen, die die Welt zerstören, indem sie ganze Landschaften unbewohnbar machen. Es sind Menschen, die Atomkraftwerke dorthin bauen, wo man mit Sicherheit früher oder später ein Erdbeben erwarten kann. Die Hungersnot in der Welt wurde in den letzten Jahren glücklicherweise etwas verringert, aber es gibt immer noch zu viele Menschen, die nicht genug zu essen haben oder sogar verhungern. Das Problem ist nicht, dass wir auf der Erde zu wenig Nahrungsmittel hätten. Wir schaffen es nicht die nötigen Anstrengungen in die Wege zu leiten, damit die hungernden Menschen genügend Esswaren bekommen. Ein Bruchteil dessen, was jährlich für militärische Auf- und Ausrüstung ausgegeben wird, würde genügen, um alle Hungersnöte zu beseitigen. Wir müssen nicht nur auf die grossen Probleme unserer Welt schauen, denen die meisten von uns in gewisser Weise hilflos gegenüberstehen. In unserer kleinen Welt sind meist auch Menschen die Verursacher des Leids. Nehmen wir ein Ehepaar, das sich zerstritten hat und dieser Streit bald in eine Scheidung münden könnte. Würden sie Gott fragen, was sie tun sollten, dann bin ich mir ziemlich sicher, was Gott sagen würde. Er würde ihnen sagen, sie sollen sich versöhnen, nicht nachtragend sein und das Verhalten ändern, das sie an diesen Punkt der Ehe gebracht hat. Gott wird jedoch bei diesem Ehepaar nicht einfach einen Schalter umkippen und dann kehrt Friede und Freude ein. Das ist manchmal das, was wir von Gott erhoffen, aber Gott entmündigt Menschen nicht, sondern respektiert unsere Persönlichkeiten. Es ist nicht Gottes Art, die Menschen wie Roboter zu steuern. Er kann nicht einfach einen Schalter umkippen und dann geschieht etwas, was wir vielleicht nicht einmal wollen. Wir müssen akzeptieren, dass die Fehler, die wir machen, unsere Fehler sind und dass wir dafür die Verantwortung tragen. Deshalb fragt der Prophet Jeremia: "Mit welchem Recht beklagt sich der Mensch bei Gott? Gegen seine eigene Sünde soll er Klage erheben!" Klagelieder 3, 39. Er soll dazu stehen, dass er dieses Problem verursachte und nicht Gott zum Sündenbock machen. Auf der anderen Seite gibt es die grosse Frage bezüglich der Opfer. Die Menschen, die unter den Untaten anderer Menschen Leiden und deren Leben beeinträchtigt oder gar zerstört werden. Menschen, die nichts dafürkönnen, dass es ihnen so schlecht geht. Ebenso, wie es Abel erging, der von seinem Bruder ermordet wurde. Ich bin überzeugt, Gott sieht jede Ungerechtigkeit, die auf dieser Welt geschah und geschehen wird. Früher oder später wird er die Gerechtigkeit aufrichten, die Übeltäter zur Rechenschaft ziehen und die Opfer belohnen. Gott wird sich um alle Ungerechtigkeiten kümmern. Ihm entgehen keine Leiden und keine Verbrechen! Zu Kain sagte er: "Weh, was hast du getan? Hörst du nicht, wie das Blut deines Bruders von der Erde zu mir schreit?" 1. Mose 4, 10. IV. Der mitleidende Gott... Gott will uns Menschen nahe sein und die katastrophalen Zustände auf dieser Welt sind ihm überhaupt nicht egal. Im Gegenteil: Gott handelt und greift radikal in das Geschehen ein, zwar anders, als wir uns das vorstellen können. Aber Gott zeigt uns durch sein Eingreifen seine Liebe und Macht. Das, was er für dich und mich tat, ist viel effektiver, als wenn er alles Leid verhindern oder beseitigen würde. Gott war nämlich bereit in die Not und das Leiden dieser Welt einzutauchen. Er sandte seinen Sohn, Jesus Christus, in diese Welt. Übrigens ist das Christentum die einzige Religion, die behauptet, dass Gott wirklich und einmalig Mensch geworden ist und daher Gott aus eigenem Erleben weiss, was es heisst, verzweifelt, verlassen, einsam und arm zu sein, um einen Menschen zu trauern oder Folter und Gefängnis zu erleiden.3 So war Jesus bereit, sein Leben für uns zu opfern. Der Tod am Kreuz mag von aussen betrachtet ein Ausdruck von Ohnmacht und Versagen sein. Man könnte Jesus vorwerfen, er sei zu schwach gewesen, um sich selbst zu verteidigen. Doch der Kreuzestod ist ein Ausdruck der Liebe und Zuneigung Gottes zu uns Menschen. Jesus hat mit seinem Tod am Kreuz, das erreicht, was keine Macht der Welt je schaffen wird. Die stärksten Armeen würden scheitern, denn wenn der Mensch Hauptverursacher des Leids ist, dann muss der Mensch sich ändern. Diese Veränderung hat Jesus möglich gemacht. Der Apostel Paulus schreibt: "Gott hat uns aus der Gewalt der Finsternis befreit und hat uns in das Reich versetzt, in dem sein geliebter Sohn regiert. Durch ihn, Jesus Christus, sind wir erlöst; durch ihn sind uns unsere Sünden vergeben." Kolosser 1, 13. Keine Macht der Welt könnte diese Gewalt der Finsternis besiegen und die Kraft der zerstörenden Sünde im Leben eines Menschen brechen. Die Kraft der Veränderung der Welt beginnt im Herzen des Menschen, indem der Menschen von der Sünde befreit wird und sich mit dem Schöpfer versöhnen kann. Würde Gott einfach alles Leid beseitigen, dann würde sich kein Mensch verändern. Wir würden weiterhin von der Sünde getrieben eine Zerstörung der anderen folgen lassen. Wer verstanden hat, dass Gott seine Liebe und Macht am Kreuz demonstriert hat, der kann mit dem Apostel Paulus sagen: "Mit der Botschaft vom Kreuz ist es nämlich so: In den Augen derer, die verloren gehen, ist sie etwas völlig Unsinniges; für uns aber, die wir gerettet werden, ist sie der Inbegriff von Gottes Kraft." 1. Korinther 1, 18. Schlussgedanke Gott schaut dem Leid nicht unbeteiligt zu. Er versucht uns zu gewinnen, damit wir in den Genuss seiner Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit kommen. Dazu muss Gott manchmal auch Grenzen ziehen, damit wir uns auf die Suche nach ihm machen. So sagte Paulus auf dem Areopag: "Mit allem, was Gott tat, wollte er die Menschen dazu bringen, nach ihm zu fragen; er wollte, dass sie - wenn irgend möglich - in Kontakt mit ihm kommen und ihn finden. Er ist ja für keinen von uns in unerreichbarer Ferne." Apostelgeschichte 17, 27. Gott möchte uns dazu bringen, dass wir ihn suchen und bei ihm Frieden finden. Er möchte dir und mir die Tür in die kommende schönere und bessere Welt aufstossen. Die Schöpfung und die Menschen sehnen sich nach Erlösung, nach einer Welt, in der es keine Krankheiten, kein Leid und keine Tränen mehr geben wird, eine Welt ohne Kriege und Unterdrückung. Diese Welt wird kommen! Gott wird nochmals eine Welt erschaffen, die so vollkommen ist, wie diese ursprüngliche Welt mit dem Unterschied, dass die Sünde in der neuen Welt ihr Unwesen nicht mehr treiben wird. Der Apostel Johannes sah diese Welt in einer Vision. Er schreibt: "Danach sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Der frühere Himmel und die frühere Erde waren vergangen." Offenbarung 21, 1. Das ist die Erde und der Himmel, den wir schon jetzt gerne hätten. Doch erst auf der neuen Erde wird es kein Leid, kein Schmerz und keinen Tod mehr geben. Johannes hört in seiner Vision eine Stimme, die ihm sagt, wie es dann sein wird: "Seht, die Wohnung Gottes ist jetzt bei den Menschen! Gott wird in ihrer Mitte wohnen; sie werden sein Volk sein - ein Volk aus vielen Völkern und er selbst, ihr Gott, wird immer bei ihnen sein." Offenbarung 21, 3. "Er wird alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid und keine Schmerzen, und es werden keine Angstschreie mehr zu hören sein. Denn was früher war, ist vergangen." Offenbarung 21, 4. 1 Wikipedia: Erdbeben von Lissabon 1755. 2 www.karl-leisner-jugend.de: Gott und das Leid, Philosophische und christliche Antwort auf die Theodizee, S.3. 3 Timothy Keller: Warum Gott?, S.56. --------------- ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 18