Psychologie – Ausweg oder Irrweg?

Roger Liebi

18.01.2019

ID: 31384

 

I.        Begriffserklärungen

Wir beginnen mit den Begriffserklärungen. Was bedeutet das Wort Psychologie? Es geht zurück auf die Kombination der griechischen Wörter psyché und logos. Psyché bedeutet „Seele“ und logos bedeutet im Altgriechischen „Wort, Sinn, Vernunft“ und wird darum in einer späteren Sprachstufe im Sinn von „Wissenschaft“ verwendet. Also Psychologie ist die Wissenschaft von der Seele. Ein anderer Begriff, den man so langläufig damit verwechselt, ist Psychiatrie. Da haben wir die Kombination von psyche = Seele und dem Wort jatree. Auf Altgriechisch heißt es „Heilung“ und jatros ist der Arzt. Also Psychiatrie ist die Heilung der Seele, wohlverstanden der kranken Seele. Der Psychiater ist ein Arzt, denn um Psychiater zu werden müssen Sie zuerst Medizin studieren und dann als Spezialisierung Psychiatrie. Aber ein Psychologe muss kein Arzt sein. Er kann ein Arzt sein, aber man kann einfach Psychologie studieren und ist kein Arzt. Man kann natürlich als Arzt noch ein volles Zusatzstudium der Psychologie machen und dann noch die Spezialisierung Psychiatrie.        

Weiter stellt sich die Frage, womit sich eigentlich dieser Wissensbereich der Psychologie beschäftigt? Man beschäftigt sich mit allen möglichen Fragen, zum Beispiel:

-                                                                                                    Warum erwacht eine Mutter nachts, wenn das Kind im Nebenzimmer nur ganz leise wimmert? Aber wenn auf der anderen Seite eine F-15 über das Dach hinwegfliegt, da erwacht sie nicht, warum?

-                                                                                                    Am Abend lernt man auf eine Prüfung und irgendwie will es einfach nicht so recht rein. Gut, man geht schlafen und am Morgen ist an der Prüfung alles da. Was ist da in der Nacht passiert, man hat ja nur geschlafen?

-                                                                                                    Einer spielt ein Konzert, sagen wir eine Polonaise von Chopin, er hat so gut geübt aber ausgerechnet im Konzert kommt ein Fehler, der ganz früher manchmal rausgekommen ist. Warum kommt er genau in dem Moment wieder? Dabei hat man das scheinbar schon längst überwunden.

-                                                                                                    Ein bestimmter Geruch gelangt in unsere Nase und plötzlich kommen lang vergessene Erinnerungen wieder hoch.

-                                                                                                    Ich versuche einen Gedanken, der mir nicht gefällt, wegzuschieben, aber dabei wird er immer stärker! Was geht denn da in mir vor?

So könnte man in dieser Art 1000 andere Fragen stellen. Das ist alles Psychologie.

 

II.                                                                                                Geschichte der modernen Psychologie

Jetzt geht es um die Geschichte der modernen Psychologie. Ich möchte am Anfang ganz klare Abgrenzungen machen. Es ist ganz wichtig, dass man daran denkt, dass ich die Geschichte der Psychologie vorstelle und nicht die Geschichte der Psychotherapien. In der Psychologie zeige ich nur die wichtigen roten Linien und Sie werden noch sehen, warum mir genau diese Linien besonders wichtig sind. Dann könnte am Schluss jemand sagen, aber die Geschichte der letzten 40 Jahren, das hat er schon ziemlich flott so durchgezogen. Da müsste man doch 1000 Folien brauchen. Ich mache es kurz, weil 1000 Folien doch nicht an einem Vortragabend gehen. Also wir gehen nur die roten Linien und das Wesentliche durch, um die wichtigsten Tendenzen anzuschauen. Und noch etwas, wir fokussieren uns heute Abend auf Psychologie und nicht auf Psychiatrie, das ist nicht einfach das gleiche, obwohl das ganz eng zusammenhängt. Wir müssen das klar abgrenzen, sonst kommt man an einem Abend nicht durch.

Die Psychologie als eine universitäre Wissenschaft, also eine Wissenschaft, die an Unis gelehrt wird, ist eine ganz junge Wissenschaft (ab 1879). Die moderne Wissenschaft begann in Europa Jahrhunderte zuvor, und zwar begann der Mensch vor allem den Raum um sich herum systematisch zu erforschen: Astronomie (Kepler, 1571; Galilei, 1564), Physik (Newton, 1643). Aber es dauerte auffällig lange, bis sich im Rahmen universitärer Bildung der Mensch mit dem eigenen Innenleben zu beschäftigen begann. Der erste moderne Psychologe war Dr. Wilhelm Wundt (1832-1920). Das war ein Arzt, er wurde zwar Professor für Psychologie, hat aber nie Psychologie studiert, sondern er war als Arzt tätig und hat psychologische Forschungen gemacht und damit dann auch unterrichtet. Er hat experimentelle Untersuchungen am Bewusstsein des Menschen durchführen wollen. Er hat also ganz einfache Prozesse wie Perzeption (=Wahrnehmung, wie der Mensch, was von außen herkommt, wahrnimmt) und auch Reaktionszeiten gemessen, er hat eine Assoziationstheorie aufgebaut (wie werden im Kopf Dinge miteinander verknüpft? Beispiel: Wie kann man Goethe mit Kupfer verwechseln? Man verwechselt in Gedanken Goethe mit Lessing und Lessing mit Messing und Messing mit Kupfer) und er hat sehr viel Introspektion (= in sich selber hineinschauen; Selbstbeobachtung des inneren Geschehens) betrieben. Es ist Ihnen schon klar, wenn das Wissenschaft sein soll, dann ist das natürlich alles sehr subjektiv! Sie nehmen sich innerlich wieder ganz anders wahr als ich mich. Diese Introspektion, dieses In-sich-Hineinschauen, sich selber innerlich beobachten, was in einem so abgeht mit den Gefühlen, der Art des Denkens, das funktioniert natürlich nur bei gesunden Erwachsenen, nicht bei Kindern. Es ist oft schwierig bei Kindern, weil sie Dinge auch ganz anders wahrnehmen. Natürlich ist es auch bei geistig Behinderten ganz schwierig. Wenn man das noch auf die Tiere übertragen will, dann wird es noch schwieriger. Wie kann man herausfinden, was ein Pferd innerlich empfindet?

Dr. med. Wilhelm Wundt hat 1873/74 ein Buch veröffentlicht „Grundzüge der physiologischen Psychologie“. Man kann sagen das ist das erste universitäre wissenschaftliche Buch über Psychologie. Aber erst 1879 in Leipzig hat sich der erste Psychologiestudent der Welt eingeschrieben. Das ist wirklich noch nicht lange her, ein paar Jahre, bevor mein Großvater auf die Welt kam. So kurz ist diese Geschichte. Dann ging es aber sehr schnell weiter, W. James, 1842-1910, war dann der erste Professor in Psychologie in Amerika. Er hat auch kein Psychologie studiert, er war ein Philosoph, aber er hat sich da hineingearbeitet. So hat sich das aus diesen Anfängen ausgeweitet und entwickelt. Um 1900 ist Psychologie bereits eine etablierte Wissenschaft in der westlichen Welt. Es gibt bereits ganz verschiedene Richtungen, die sich heftig gegenseitig bekämpfen. Was auffällt, es ist alles sehr, sehr subjektiv. Gerade diese Bemühung, um möglichst objektiv zu sein in der Arbeit, was man von den Naturwissenschaften kennt, ist nicht gegeben.

Dieses erste Psychologiebuch ist eine Verherrlichung der Evolutionslehre von Charles Darwin gewesen. Wenn Sie sich mal überlegen, das erste Evolutionsbuch von Charles Darwin, dem Vater der modernen Evolutionslehre, kam 1859 heraus (Die Entstehung der Arten durch natürliche Selektion). Da ging es ihm um den Gedanken, die Lebewesen haben sich selber im Lauf der Zeit entwickelt, ohne Schöpfer. Aber es geht in dem Buch nur über Pflanzen und Tiere, der Mensch wird ausgeklammert, denn der Zeitgeist war noch nicht so weit. Aber ein paar Jahre später hat der Zeitgeist sich schon so entwickelt, dass 1871 das Buch „Die Abstammung des Menschen“ erscheinen konnte. Da sagt Darwin, mit dem Menschen ist es natürlich genau gleich wie mit den Pflanzen und Tieren. Aber bereits der erste Psychologe nimmt diese Lehre auf, ein paar Jahre, nachdem sie so veröffentlich worden ist, und baut das in seine Psychologie ein. Er lehrte, der Mensch sei ein hochstehendes Tier, die Seele des Menschen habe sich aus dem Tierreich heraus entwickelt. Sie sehen, bereits hier entwickelt sich Psychologie von ihrer Geburtsstunde an als etwas ganz Anderes als christliche Seelsorge. Zu wem gingen die Leute früher, wenn sie schwermütig waren? Da gingen sie vielleicht zum Pfarrer und er hat Seelsorge gemacht. Aber da entsteht etwas, da spielt Gott überhaupt keine Rolle. Von Anfang an wird er eigentlich aus dieser Betrachtungsweise ausgeklammert. Das ist eine wichtige Beobachtung im Zusammenhang mit all dem, was folgen wird.

Jetzt kommen wir zu einer ganz neuen Richtung in der Psychologie: die Tiefenpsychologie. Dr. Sigmund Freud, 1856-1939, entwickelt eine ganz neue Psychologie, „die Psychologie des Unbewussten“. Man sieht, es ist bewusst ein Kontrapunkt, ein Gegensatz zu dem, was Wundt gemacht hat. Dort sollte es eine Psychologie des Bewusstseins sein, hier betont er, was für den Menschen ganz Wesentlich ist, ist das Unbewusste. So war die Psychologie des Unbewussten also eine Reaktion auf die Psychologie des Bewussten. Sigmund Freud war Arzt, er war jüdischer Abstammung, aber ganz ohne Glauben an Gott. Er konnte mit der Thora, dem hebräischen AT, gar nichts anfangen. Er hat sich selber als ein ganz und gar gottloser Jude bezeichnet. Das war ganz ungewöhnlich für Juden, selbst wenn sie völlig liberal und agnostisch und atheistisch sind. Und sogar noch stärker: als ein hoffnungsloser Heide. Heide ist der biblische Begriff, wenn jemand kein Jude ist. Zudem ist zu sagen, die Evolutionslehre übte bereits im Jugendalter eine starke Anziehungskraft auf ihn aus. Freud beeinflusste die Psychologie des 20. Jahrhunderts wie kein anderer. 1885 hat er in Charcot in Frankreich Anatomie und Psychologieunterricht besucht und wurde dort in die Hypnose eingeführt. Das hat er dann in seiner psychologischen Therapiearbeit benutzt, um die Leute mit Hypnose zu behandeln. Sie wissen, das ist etwas, was sehr große Gefahren beinhaltet. Da wird der Mensch in einen Zustand von innerer Passivität gebracht und das kann sich sehr gefährlich auswirken. Er hat es zur Aufarbeitung bei frühkindlichen Traumata benutzt (Trauma ist eine seelische Verletzung). Später ist er allerdings davon wieder weggekommen und hat besonders mit der Methode der freien Assoziation auf dem Diwan gearbeitet. Das ist das Typische, was man mit Psychoanalyse im Sinn von Freud meint. Der Patient/der Klient legt sich auf die Couch und muss einfach Dinge ausdrücken, ohne es zu kontrollieren. Nicht sich überlegen, das wäre ja unmoralisch, wenn ich das sage, sondern er soll sagen, was durch ihn hindurchgeht und es sofort nennen. Der Psychologe sitzt da dabei (Freud mochte es gar nicht, wenn der Klient ihn dabei beobachtete) und wollte aus dem ganz unkontrollierten Äußerungen in die Tiefen des Unbewussten eindringen, mit der Hoffnung, ihm zu helfen.

Der Begriff der Verdrängung spielt eine große Rolle. Sie müssen sich vorstellen, da ist einer auf der Couch und jetzt soll er alles einfach raus lassen ohne Filter und ohne Kontrolle, da kommen plötzlich auch unmoralische Gedanken und Gefühle. Dann sagte Freud, das ist das Problem, die Menschen verdrängen diese Dinge, die sie unmoralisch anschauen. Das Verdrängen, das sei ein Problem.

Weiter spielt der Ödipus-Komplex im Zusammenhang mit Vaterhass eine ganz wichtige Rolle bei ihm. Er ging davon aus, dass in einem Jungen zutiefst ein Hass gegen seinen Vater und eine Eifersucht auf seine Mutter da ist. Darum muss man bedenken, spielen Triebe in seinem Denken eine ganz wesentliche Rolle, irrationale Kräfte des Unbewussten, auch perverse Wünsche und mit dem wollte er sich beschäftigen. Er dachte, dass das eigentlich ein ganz wesentlicher Motor ist, der Menschen in ihrem Handeln antreibt, bis hin in der Kunst. Man kann bei ihm also von einem Sexismus reden. Für ihn war der Begriff Libido (lat. Lusttrieb) quasi der Lebenstrieb, auf den alles zurückgeht. Er sprach gerne über das Ich, das Es und dem Über-Ich. Das Ich betrifft meine Person, das Es sind die Triebe aus dem Unbewussten heraus. Im NT werden diese Triebe im Menschen in Galater 5, 18-21 auch behandelt, eine ganze Liste, das wird die „Werke des Fleisches“ genannt. Mit dem Über-Ich meint er das, was mit dem Gewissen zu tun hat, aber er betrachtet dieses Über-Ich als eine Instanz, die von außen, von der Gesellschaft, von den Eltern und von der Umwelt kommt. Im Römerbrief 2, 15 wird darüber gesprochen, dass Gott der Schöpfer jedem Menschen ein Gewissen eingepflanzt hat: „… solche, die das Werk des Gesetzes geschrieben zeigen in ihren Herzen, wobei ihr Gewissen mitzeugt und ihre Gedanken sich untereinander anklagen oder auch entschuldigen …“ So, dass er weiß zu unterscheiden zwischen Recht und Unrecht, sogar dann, wenn er gar keine Bibel hat! Er weiß trotzdem, dass es nicht richtig ist, die Eltern einfach anzuschreien. Es ist nicht richtig, wenn man einen Stammesgenossen umbringt. Was bei ihm auffällt, es gibt eine ganz starke Abwertung des Rationalen, also des bewussten Denkens beim Menschen. Das führte bei ihm zu einer sehr starken Leugnung der Schuld und der Verantwortlichkeit. Dadurch entsteht der Gedanke, dass die Dinge abgeschoben werden können auf die Umgebung, die Gesellschaft und auf die Eltern: „Es ist ja klar, dass man so rauskommt, diese psychischen Probleme haben muss, wenn man einen solchen Vater hat“. Hier spielt Victimisierung (engl. victim=Opfer) eine ganz wichtige Rolle. Ich bin eigentlich ein Opfer, dass ich so bin, wie ich bin, weil ich ein Opfer bin. Sie sehen, in der Bibel spielt das von Anfang an nach dem Sündenfall eine wichtige Rolle. Adam sagte: das war meine Frau. Die Frau sagte: das war der Verführer. Dieses Abschieben, diese Victimisierung hat nach der Bibel mit dem Sündenfall begonnen, aber das spielt eine sehr wichtige Rolle.

Bei Freud spielte Religion und Glaube eine wichtige Rolle, aber in dem Sinn, dass er das als eine Neurose von Angst betrachtete, also eine seelische Erkrankung. Wer gläubig ist, ist in seinen Augen ein kranker Mensch. Eine Neurose von Angst und Zwanghaftigkeit, so sah er Religion. In einem Brief an seinen Freud Carl Gustav Jung hat er geschrieben: „Mein bester Jung, versprechen Sie mir, die Theorie über die Sexualität, die das Wesentlichste von allem ist, niemals aufzugeben. Wir müssen daraus ein Dogma machen, ein unantastbares Bollwerk.“ Interessant, er sagt, seine Lehre ist eigentlich eine religiöse Lehre, denn der Begriff des Dogmas ist ein Begriff aus der Religion. Zum Beispiel hat die katholische Kirche im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Dogmen durch Konzile festgemacht. Freud sagt, die Sexualität ist unser Dogma, da dürfen wir nie davon abweichen!

Freud hat eine enorme Wirkung auf die Entwicklung der Gesellschaft des Westens und auch auf die Moral gehabt. Er war effektiv ein Vater der 68. Revolution, wo Millionen von Jugendlichen mit dem christlichen Abendland brechen wollten. Sie wollten eine sexuelle Revolution, sie wollten, dass auf dem Gebiet alles möglich ist, dass es keine Hemmungen und keine Barrieren mehr gibt. Homosexualität sei einfach eine Alternative. Das war damals etwas völlig Unerhörtes! Sie haben auch die Auflösung von Ehe und Familie verlangt. Sie verlangten das Recht auf Abtreibung. Solche, die Freud als Advokaten verteidigen würden, die würden sagen, Freud habe nie gesagt, man solle mit den sexuellen Normen brechen. Aber er hat gesagt, wer das verdrängt und seine Triebe in Schach hält, der wird krank! Und wer möchte denn gerne krank werden? So sagten sich viele Jugendliche: wir wollen nicht krank sein! Wir wollen von dieser kranken Gesellschaft frei werden! Das war ein wichtiger Motor bei der 68. Revolution, die das angestoßen hat, dass unsere Gesellschaft heute soweit das Gefüge von Ehe, fester Beziehung und stabilen Familienverhältnissen auseinanderbrechen ließ.

Die vier Eckpfeiler von Sigmunds Lehre:

1.                                                                                                Der Einfluss der Begierden auf das menschliche Verhalten.

2.                                                                                                Die Vorherrschaft des sexuellen Triebs im geistigen Leben.

3.                                                                                                Die enorme Bedeutung der frühkindlichen Erfahrung.

Da hat er übertrieben! Natürlich spielt das, was man als Kind erlebt eine wichtige Rolle, auch gerade, wie man in den ersten drei Jahren von den Eltern umsorgt wird. Es zeigt sich, wenn Eltern ihre Kinder in der Zeit von 0-3 Jahren einfach weggeben, weil sie lieber etwas anderes machen, dann ist es sehr gefährlich und wirkt sich nachweislich schädlich auf die Entwicklung des Kindes aus. Aber er hat alles auf das zurückführen wollen. Wir können nicht einfach sagen, ich bin das Opfer von dem, was da am Anfang geschehen ist, sondern es gibt es noch viele andere Faktoren. Freud hat das aber sehr stark eingeschränkt.

4.                                                                                                Für die Ausformung des Erwachsenen, wenn da Verdrängung von sexuellen Trieben geschieht, das führe zu Krankheit.

Nun ist es interessant, das hängt irgendwie mit seiner Biografie zusammen. Er hatte einen ganz strengen Vater und der war für ihn ziemlich alt, denn die Mutter war 20 Jahre jünger. Sie war schön und blitzgescheit und er war das Lieblingskind von sieben Kindern. Jetzt versteht man den Ödipus-Komplex. Da greift er auf die Mythen der Griechen zurück: Ödipus hat in der Mythologie, ohne es zu wollen, seinen Vater umgebracht, und ohne es zu wissen, seine Mutter geheiratet. Darum sagt er, das sei das zutiefst im Menschen verankerte Problem. Er hat eine Psychologie des Vaterhasses aufgebaut. Das sollte für das Denken und Empfinden des 20. Jahrhunderts ganz Wesentlich sein. Dazu kommt, die Evolutionslehre hat ihn stark geprägt, der Materialismus (es gibt keinen Gott und die letzte Realität ist Materie) und auch ein Mystizismus (im Zusammenhang mit Hypnose). Die besondere Schwäche seiner Psychologie ist Reduktionalismus. Dieses Wort sagt, man reduziert alles auf ein paar wenige Faktoren und das ist nicht der Realität entsprechend. Er vereinfacht alles im Extremsten. Man kann sagen, das war keine Wissenschaft, was er betrieben hat, sondern es war eine atheistische Religion mit Dogmen. Der Erfolg der Freudschen Psychologie im 20. Jahrhundert bestand besonders in der lebensanschaulichen Anziehungskraft. Viele Leute haben sich anziehen lassen. Heute hört man das nicht mehr so. Wenn Sie mit Psychologen heute sprechen, viele haben eine tiefe Verachtung für Freud: Diesen Unsinn glauben wir gar nicht mehr! Aber wenn man ein bisschen älter ist und erlebt hat, wie das noch vor 40 Jahren war, da hat man schon gesehen, was Freud für einen Einfluss hatte auf meine Lehrergeneration. Die lebten noch in diesen Dingen und dachten, das ist die Wahrheit. Aus der Freud´schen Lehre haben sich im Laufe der Zeit etwa 36 Sekten abgeleitet, die sich auch gegenseitig bekämpft haben. Ein interessantes Phänomen, weil ich sagte, das hat sehr viel Religiöses an sich. Interessant ist, was Jay E. Adams, ein bewährter Seelsorger in den USA über die Lehre von Freud geschrieben hat: „Wenn Freuds Auffassung richtig wäre, nämlich, dass immer dann eine Schwierigkeit entsteht, wenn das ES (das Triebhafte) durch ein allzu strenges Gewissen oder Über-Ich verdrängt wird, dann müsste unsere Zeit in Wirklichkeit eine Zeit weitverbreiteter geistiger Gesundheit sein, denn unsere Zeit ist nicht durch Verdrängung, sondern durch Nachgiebigkeit gekennzeichnet. Wenn der Freudianismus wahr ist, müssten die am meisten unmoralischen, oder noch eher die am meisten amoralischen Menschen die gesündesten sein. Während in Wirklichkeit genau das Gegenteil der Fall ist.“ Viele Menschen, die sich auf diese Art des Denkens eingelassen haben und auch den Bruch der 68er mitgemacht haben, sind in unserer Gesellschaft daran zerbrochen und Ruinen geworden. Sie brauchen Hilfe und glücklicherweise gibt es auch Hilfe.

Freud war ein wichtiger Tiefenpsychologe, aber daneben war C.G. Jung, ein Schweizer aus dem Turgau. Bei ihm spielen okkulte Phänomene eine ganz zentrale Rolle. Für ihn war Traumanalyse noch wichtiger als für Freud. Antike Mythen der alten Griechen und auch anderer Völker waren für ihn ganz wichtig. Auch psychotische Phantasien, also geistig kranke Phantasien. Er unterschied zwischen dem persönlichen und kollektiven Unbewussten. Mit dem kollektiven Unterbewussten meinte er, es gäbe einen psychischen Erfahrungsschatz, den eigentlich die ganze Menschheit miteinander teilt. So wie die Archetypen, also Symbolvorstellungen, die man bei allen Menschen in der ganzen Welt finde, die in der Seele angeboren sind. Viele Psychologen haben gesagt, das stimmt nicht. Wir können nicht nachvollziehen, dass es überall so der Fall ist, wie er es gesagt hat. Aber diese Archetypen, diese Symbole im Inneren des Menschen, waren für ihn sehr wichtig und er sagte, durch Spiritismus, also Kontakt mit der Geisterwelt, könne man das ganz besonders erfahren. Bei ihm war das sogar so, dass er mit Archetypen in sich wie mit Personen sprechen konnte. Aus biblischer Sicht würde man sagen, dass ist das Phänomen von Besessenheit, das auch in den Evangelien immer wieder beschrieben wird. Aber das war für ihn so wichtig, denn er kam aus einer Familie, die ganz stark durch den Spiritismus gezeichnet war. Es gibt eine Biografie, die ganz ausführlich seine furchtbaren innerlichen Kämpfe beschreibt, die er hatte. Schreckliche Erfahrungen hat er gemacht und schreckliche Kämpfe, die damit zusammenhängen. Für ihn waren Religionen, Mythen, Märchen und Phantasien sehr wichtig. Kritik an dieser Art von Psychologie: Auch da haben wir es mit Reduktionalismus zu tun. Alles wird auf seine persönlichen okkulten Erfahrungen reduziert.

Jetzt noch ein dritter, wichtiger Vertreter der Tiefenpsychologie: Alfred Adler, 1870-1937, auch hier wieder ein jüdischer Name. Dieser Mann litt unter Minderwertigkeitskomplexe. Darum spielt dieser Begriff eine ganz zentrale Rolle in seiner Psychologie. Aber das hing mit ihm selber zusammen, das war sein persönliches Problem. Er betrachtete sich als äußerlich völlig unattraktiv und er stand im Schatten seines älteren Bruders. Aber wissen Sie was? Wer weiß noch was von seinem älteren Bruder? Wenn jemand bekannt ist, dann ist es Alfred Adler. Auch hier muss man sagen: Reduktionalismus. Natürlich ist das Problem von Minderwertigkeitskomplex da, bei manchen Menschen ist es wichtiger und mehr im Vordergrund und andere haben vielleicht das Problem von Überlegenheitskomplex. In 1. Korinther 12 wird im NT genau dieses Problem, das einer meint, wenn ich bin, dann braucht es die anderen Gaben nicht mehr, der andere denkt, weil ich nicht das bin, dann bin ich eigentlich nichts. Aber nicht alle unsere seelischen Probleme haben mit diesem Problem etwas zu tun! Die Realität ist viel, viel weiter. Sie sehen, ganz besonders hängt es immer damit zusammen, was ein Psychologe bei sich selber beobachtete. Es ist eine Gefahr, das zu Generalisieren für alle anderen!

Jetzt kommen wir zu einer ganz neuen Schule: Behaviorismus.  Behavior = das Verhalten. Ganz besonders wichtig ist John B. Watson (1878-1959). Er selber war geprägt von den Russen Ivan Pavlov und Vladimir Bekhterev, die haben in Russland in diese Richtung ganz stark geforscht. Watson wollte strikt empirisch sein. Empirisch bedeutet, man macht Experimente und untersucht diese Experimente möglichst objektiv. Nicht mehr dieses subjektive In-Sich-Hineinblicken, wie schon ganz am Anfang der Psychologie oder dieses Grübeln in der Tiefe der Seele bei Freud. Nein, er wollte objektiv arbeiten. Er lehnte den Begriff Bewusstsein ab, das sei ein unwissenschaftliches Relikt, ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Der Mensch sei im Prinzip einfach eine von Reflexen gesteuerte Maschine. Er hat dazu eine Reiz-Reaktionstheorie aufgestellt, Laborexperimente gemacht und nicht diese subjektive Introspektion und Selbstbeobachtung im Innersten. Diese Psychologie ist reinster Materialismus. Da werden psychische Erscheinungen als 100% physikalische Prozesse angeschaut. Wir sind eine biochemische Maschine und die reagiert auf Lichtreize und auf Schall usw. Die Basis dieser Lehre war die Evolutionslehre. Er sagte menschliches Verhalten ist von den Tieren ableitbar. Er leugnete angeborene Charaktereigenschaften und Kapazitäten. Daraus kommt auch das Denken, dass im Prinzip könnte man aus jedem Kind einen Yehudi Menuhin machen. Man muss nur die guten Umstände haben und ein bisschen fördern usw. Aber die Erfahrungen haben gezeigt, das stimmt nicht! Es braucht noch etwas mehr, um ein Yehudi zu werden. In den 20er Jahren war diese Lehre ganz besonders populär in den USA. Das ging so bis in die 1950er Jahre.

Jetzt sehen Sie als Zwischenzusammenfassung: Sie haben Wundt am Anfang mit seiner Bewusstseinslehre kennengelernt, dann Freud mit der Lehre des Unbewussten, jetzt Watson, da geht es nur um die Lehre des Verhaltens.

Es entwickelte sich daraus der Neo-Behaviorismus. Neo heißt neu. Es war B.F. Skinner, der das, was Watson getrieben hatte, weiterführte, doch er sagte Watson war viel zu extrem. Dieser Skinner wurde ganz berühmt durch seine Rattenversuche. Den Ratten wird Essen vorgestellt und dabei klingelt die Glocke, so trainiert er die. Wenn sie die Nahrung schmecken, dann läuft das Wasser im Mund zusammen. Mit der Zeit sah er, wenn man nur die Glocke klingeln ließ und kein Essen hinstellte, lief das Wasser auch im Mund zusammen. Er sagte, diese Rattenversuche helfen uns, den Menschen besser zu verstehen. Ratten sind bereit etwas zu lernen, wenn sie dadurch ihre Situation verbessern können, z.B. wenn sie etwas zu Fressen kriegen. So sei es im Prinzip auch mit den Menschen, die Menschen könne man eben auch so trainieren. Auf der einen Seite sagte er, Watson war zu extrem und ein Bewusstsein existiert, aber der Mensch wurde bei ihm auf der anderen Seite als ein dressierter Hund oder eben eine dressierte Ratte gesehen. Weiter sagte er, nicht alle psychischen Vorgänge sind Reaktionen auf äußere Reize, das war bei Watson zu extrem. Er sagt, es gibt auch im Inneren des Organismus Prozesse, die nicht mit dem Äußeren zusammenhängen. Aber Gott ist weiterhin in dieser Psychologie tabu. Er ist überhaupt nicht diskussionswürdig. Glaube – was ist das? Liebe? Kreativität? Das ist schon mehr als eine Ratte, bei der das Wasser zusammenläuft. Höhere Werte? Das hat da irgendwie keinen Platz. Kritik an dem Behaviorismus kann man so auf den Punkt bringen: Es ist ein extremer Reduktionalismus, auch da wird die Realität einfach auf wenige Dinge reduziert. Behavioristen haben fast nur ein Auge für physische Stimulation – Lichtstrahlen, Schallwellen, Wärmestrahlen, Materienteilchen, die auf Druck-, Tast- und Riechsinn wirken. That’s it. Nun, Sie verstehen, das hat natürlich wieder eine Gegenreaktion ausgelöst. Sie sehen also, in der ganzen Geschichte gibt es etwas und dann wieder ein gegen-was und dann wieder ein gegen-was und so wurden in der Geschichte der Psychologie fortlaufend die Argumente geliefert, um die verschiedenen Lehren zu beurteilen und kritisch anzuschauen.

Wenn wir vom 20. Jahrhundert nach den Anfängen von Wundt ausgehen, gab es nebst der Tiefenpsychologie den Behaviorismus in Amerika. Man kann sagen es ist ein Kontrast zwischen Europa und Amerika. Jetzt kommt „The Third Force“, auf Deutsch „Dritter Weg“ und nicht Dritte Kraft, das ist eher eine psychologisch bestimmte Lebensanschauung als eine experimentelle Wissenschaft. Seit den 50er Jahren wird das unter dem Begriff „Humanistische Psychologie“ populär. Aber humanistisch, das geht zurück auf homo = Mensch, will hier nicht sagen, das hat was mit Humanismus und Renaissance zu tun, sondern humanistisch bedeutet hier, es ist eine Psychologie des Menschen und zwar nicht nur des kranken Menschen. Diese Leute, die diese Richtung gebracht haben, haben kritisiert, dass man früher sich in der Psychologie ständig nur mit dem Kranken und denen, die eine große Schwierigkeit hatten, beschäftig hat. Eigentlich sollte sich Psychologie mit dem Menschen schlechthin beschäftigen. Ja, natürlich. Ganz wichtig ist hier Abraham Maslov, 1908-1970. Er stammte aus einer jüdischen Familie, einer sozialistischen Familie. Interessant, wieder ein Jude, und zwar ein liberaler Jude, kein thoragläubiger Jude. Er war selbst ein utopischer Sozialist. Für ihn waren Tierversuche ein Problem. Motivation beim Lösen von Problemen, das hat man mit den Tierversuchen versucht darzustellen, die Behavioristen können xx, wie Neugier und Einsicht gar nicht einordnen. Für sie ist alles xx. Die sagen, es gibt Neugier, es gibt auch neue Einsichten und wir sind nicht einfach nur Reaktionsmaschinen. Darum hat sich Maslov ganz bewusst vom Behaviorsmus und von der Tiefenpsychologischen Analyse abgewandt. Ihre Kritik am Behaviorismus sah so aus: Behaviorismus erklärt nicht abstraktes Denken, auch nicht das Phänomen von Religion, Kunst, das Sprechen. Man sagte, im Zentrum steht eigentlich das Tier, die Ratte und der Hund, aber uns geht es um den Menschen, darum Humanistische Psychologie. Ihre Kritik an Tiefenpsychologie: Man kann nicht alles auf die infantile (=kindliche) Konflikte zurückführen. Und im Zentrum steht da ja der kranke Mensch, aber wir wollen den gesunden Menschen anschauen. Da wird der Begriff der Selbstverwirklichung ganz wichtig. Maslov hat gelehrt: der Mensch hat zuallererst Grundbedürfnisse. Er muss Nahrung bekommen, Wasser und Schlaf. Wenn das nicht gesichtert ist, dann interessiert er sich nicht so sehr für weitere Dinge. Schon gar nicht für Selbstverwirklichung. Wer kein sauberes Wasser hat und nicht genügend Essen, der interessiert sich nicht für Selbstverwirklichung, das ist ja klar. Aber er sagt, wir müssen das sehen wie eine Pyramide. Ganz unten da ist dieser Bereich der Grundbedürfnisse. Wenn die einmal gestillt sind, dann geht es einen Schritt höher, dann ist der Mensch interessiert Sicherheit zu bekommen, Gewissheit, Schutz vor Gefahren, ein geregeltes Einkommen. Ja, wenn man gar nichts zu Essen hat, dann geht es gar nicht um die Frage, ob man diese Stelle bekommt oder nicht. Man ist froh, wenn man überhaupt etwas zu essen hat. Aber wenn Sicherheit da ist, dann entstehen neue Bedürfnisse. Dann geht es weiter auf der Pyramide, dann möchte der Mensch auch Liebe erfahren von seinem Umfeld, auch Geborgenheit. Er möchte in einer Gruppe aufgehoben sein. Wenn das erfüllt ist, dann kommt es dazu, dass er in der Gruppe auch anerkannt sein will. Das ist der nächste Schritt. Dann sagt Maslov, wer die Anerkennung hat, dann beginnt der Mensch, nach dem Höchsten zu streben, der Selbstverwirklichung. Wir wissen, wie stark dieses Denken unsere Gesellschaft geprägt hat. Auch das Ellbogendenken, gerade im Beruf. Man ist bereit, je nachdem die anderen runterzukriegen, damit man selber diesen Platz bekommt.

Wir kommen jetzt zu einem ganz neuen Abschnitt in der Geschichte, und zwar der Kognitiven Psychologie. Kognitiv meint das, was mit dem Denken verbunden ist. Wir haben gesehen, am Anfang des 20. Johannes waren die Zentren der Psychologie in Deutschland, Österreich, und andererseits in den USA. Es gab mal eine Wende. Aber 1933 mit der Machtübernahme von Hitler führte es dazu, dass viele Akademiker fliehen mussten, und viele gingen nach Amerika. Auch gerade viele jüdische Akademiker flohen nach Amerika. Das hatte zur Folge, dass es eine ganz starke Verlagerung der Psychologie nach den USA gab. Das hat natürlich die universitären Diskussionen angeregt und führte zur gegenseitigen Beeinflussung. Sagen wir mal so, in Amerika macht man das, in Europa das. Durch Hitler kam es zu diesem Zusammenführen in Amerika und nun ist Ulrich Neißer ganz wichtig. 1967 gab er das Buch „Kognitive Psychologie“ heraus. Da erklärt er, der Mensch besteht nicht nur aus Trieben (Tiefenpsychologie) und Reflexen (Behaviorismus). Es gibt auch Denken, Kombinieren, Erfassen von Zusammenhängen, Kreativität usw. Das, was auch schon die Leute mit dem „Dritten Weg“ betont haben, aber hier wird das Denken noch mehr betont. Natürlich als Gegenreaktion auf Freud, der das Denken wirklich vernachlässigt hat und alles nur als Triebe gesehen hatte. Natürlich hatte auch die Beobachtung von Freud gewisse Dinge richtig beobachtet. Das ist ja in all diesen Schulen zu sehen. Dinge wurden richtig beobachtet und dann wird eine Ideologie darüber gebaut, alles wird reduziert. Aber ist natürlich schon auch interessant zu sehen, dass der Mensch nicht einfach nur denkend ist, sondern die Triebe wirklich eine Rolle spielen. Man hat untersucht, wie groß ist der Anteil von Rauchern bei üblichen Leuten in der Gesellschaft und dann wie ist das bei den Ärzten, die im Studium jahrelang gelernt haben, wie schädlich Rauchen ist. Es ist so, dass der Prozentsatz bei den Ärzten ungefähr gleich ist. Das heißt also, die Intelligenz ist gar nicht unbedingt so steuernd! Die Triebe spielen eben schon eine wichtige Rolle, aber Freud hat natürlich total übertrieben. Das Denken spielt eben auch eine wichtige Rolle und das hat Ulrich Neißer sehr betont. Wegbereiter seiner Psychologie waren schon die früheren Gestaltpsychologen, die haben sich damit beschäftig, wie der Mensch Muster erkennt. Das hängt mit dem Denken und Kombinieren zusammen. So war also dieser Ansatz von Ulrich Neißer, das Denken wieder zu betonen, eigentlich eine sehr wichtige Sache. Übrigens sind in diesem Bereich die berühmten Intelligenztests anzusiedeln. Wenn man untersucht, wie denkt ein Mensch, wie kombiniert er, usw, das hängt stark zusammen mit kognitiver Psychologie. Nun, ich habe Ihnen gesagt, jetzt habe ich die nächsten 48 Jahre ein Problem. Wie soll ich die darstellen? Und zwar ist es so, dass da eine extreme Vielfalt entstanden ist. Ich werde Ihnen gleich noch erklären, warum diese Vielfalt entstanden ist. Es ist in der Psychologie ab den 1950er Jahren so richtig eine Bombe geplatzt. Dann platzte man in den weiteren Jahren noch mehr Bomben, bis in die 1980er Jahre. Ich werde gleich davon sprechen. Das hat die Psychologie total verändert, das hat die ganze Landschaft total durcheinander gebracht. Ich zeige, was dahiner steckt.

Aber ich will Ihnen sagen, so ab 1980 bis heute hat sich die Psychologie natürlich weiterentwickelt und da spielt unter anderem der Konstruktivismus als philosophischer Ansatz eine ganz wichtige Rolle. Den hat besonders Jean Piaget in die Psychologie eingeführt. Jean Piaget, ein Schweizer aus Genf. Er war übrigens ein Wunderkind. Der hat schon als Kind biologische Aufsätze geschrieben und wurde innerhalb von Jahren eine anerkannte Fachperson. Er hat mit ca. 21 Jahren schon doktoriert. Dann hat er sich auch mit Psychologie beschäftigt und hat da sehr, sehr viel Einfluss gehabt und hat den Konstruktivismus stark vertreten. Das ist eine philosophische Sicht, die sagt letztlich, es gibt keine objektive Wahrheit. Und zwar bedingt durch unsere unterschiedliche Wahrnehmung. Da konstruiert eigentlich jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit. Also es gebe gar nicht die Wirklichkeit, sondern der Mensch konstruiert die Wirklichkeit selber, durch das, wie er es persönlich aufnimmt. Dadurch sagt er, gibt es auch nichts Absolutes, auch nicht in der Wissenschaft. Er wollte auch das Empirische (das sehr objektive Forschen) in Abrede stellen. Wahrheit gibt es gar nicht, denn jeder konstruiert seine eigene Welt. Diese Philosophie sagt auch, der Reichtum besteht eben gerade darin, dass es so viele verschiedenen Auffassungen gibt. So viele bereichernde und unterschiedliche Auffassungen, aber niemand kann Anspruch erheben auf Wahrheit! An dieser Stelle: Pilatus fragte: Was ist Wahrheit? Das Wort Wahrheit auf Griechisch ist „a-leteja“. A ist das Wort für nicht, z.B. a-normal, a-tonal; teja kommt von tejos = verborgen. Wahrheit ist also die Darstellung der Dinge so, wie sie sind, ohne, dass eine Decke darauf liegt. Nun, der Konstruktivismus sagt, es gibt nicht die Realität, sondern jeder konstruiert sich so selber seine eigene Realität. Sie sehen, wie stark das auch das Christentum beeinflusst hat! Dieses Postmoderne, man könnte sagen agnostische, evangelische Denken, es gibt nicht die absolute Wahrheit, der denkt so, der so, das ist gerade der Reichtum dieser verschiedenen Ansichten. Da ist man letztlich sehr stark von solchen philosophischen Richtungen beeinflusst, ohne es vielleicht zu wissen.

Nebst Konstruktivismus spielt auch die Systemtheorie eine wichtige Rolle. Man sah die Notwendigkeit, man sollte die Dinge nicht nur psychologisch betrachten, sondern auch die Biologen beiziehen, natürlich immer auch die Ärzte mit der Psychiatrie und auch die Neurologen. Alles mögliche zusammen, so kann man viel mehr zu besseren Ergebnissen kommen. Interdisziplinäre Betrachtungsweise.

Dann Begriffe wie Kypernetik, Selbstregulierung, Willenspsychologie wurde sehr wichtig. Dann auch die Netzwerktheorie. Man sah, das Leben ist nicht einfach ein Mensch, sondern der ist ja vernetzt mit Familie, Verwandtschaft, mit Leuten im Beruf. Wir müssen all diese Wirkungsgefüge auch mitberücksichtigen. Leute, die da sehr wichtig waren, in dieser Weiterentwicklung waren Noah Chomsky, übrigens auch ein Jude, Jean Piaget und Ulrich Neißer. Nun, das hat dazu geführt, dass man heute nicht mehr „schulgläubig“ ist. „Ich bin ein Freund von ...“, „Ich bin ein Anhänger von C.G. Jung“, „Nein, was Skinner geleistet hat, das ist ja wirklich toll.“ Nein, es ist heute so wie ein Selbstbedienungsladen. Es gibt ja nicht die wahre Richtung, aber man muss eben kombinieren und suchen, wie könnte man die Wirkungsweise kombinieren, ganz individuell für eine einzelne Person angepasst. Darum, wenn man heute Psychologie studiert oder auch Lehrer, Krankenschwester usw., überall hat man das Fach Psychologie. Da wird einem nicht eine bestimmte Richtung angeboten, sondern alles, man kann daraus wählen, weil es keine absolute Wahrheit gibt (Konstruktivismus), jeder kann suchen, was er will.

III.    Die beste psychologische Therapie, die es gibt

Nun, all diese verschiedenen Richtungen haben Therapien hervorgebracht. Ich habe gesagt, ich werde die Geschichte der Therapie nicht beschreiben, weil ich nur einen Abend für den Vortrag halten kann und nicht eine Serie. Aber die Frage stellt sich aus praktischen Gründen sehr stark: Was ist der Nutzen von all diesen Richtungen, von diesen Forschungen für das Praktische? Welche Therapie ist die beste? Das hat man sich in der Psychologie seit Jahrzehnten gefragt. Es ist so: heute gibt es etwa 400 verschieden Therapierichtungen. Da muss man sich fragen, nützen sie etwas und wenn ja, welche nützt am meisten? Das war eine Bombe. Dieser Hans Jürgen Eysenck, geboren in Berlin, aber hat dann seine Karriere in England gemacht. Der hat 1952 eine Studie mit dem Titel „The effects of psychotherapy“ = Die Resultate der Psychotherapie veröffentlicht. Es geht da um eine Untersuchung von bereits geschriebenen Studien über behandelte Menschen und nichtbehandelte Menschen, die seelische Probleme hatten. Er kam zum Schluss, 2/3 werden nach zwei Jahren sowieso wieder gesund oder es gibt nach zwei Jahren eine starke Besserung. Es geht da z.B. um Dinge wie Depression. Er sagte, es gibt keinen Beweis dafür, dass Psychotherapie etwas nützt. Wow! Ein Psychologe von Rang und Namen sagt sowas. Eysenck ist nicht irgendjemand. Das war natürlich unerhört. Man muss sich vorstellen, das stellt alles in Frage, was man ein Leben lang geleistet und studiert hat und das hat man natürlich nicht so akzeptiert. Man hat natürlich auch einiges herausgefunden, was Eysenck nicht beachtet hatte. Dieser Streit ging bis in die 60er Jahren und da kommt Allen Eric Bergin. Der macht wieder eine Untersuchung und sagt, aber viele von diesen angeblich unbehandelten Personen, die waren doch behandelt. Die gingen zwar nicht zu einem Psychologen, aber da hat einer z.B. mit dem Lehrer gesprochen. Lehrer sind ganz wichtig, dass die eben ein Auge haben für die Schüler und Nöte und Schwierigkeiten, die da sind und zur Verfügung stehen. Ja, die sind zum Lehrer gegangen mit ihren Problemen. Oder im Verwandtenkreis, ein Onkel, der sich einfühlen kann und Rat geben kann. Oder gute Freunde, mit denen man Dinge bespricht. Oder da ist einer zum Priester gegangen oder zum Prediger oder zum Arzt. Bergin sagt, diese Leute waren behandelt aber Eysenck hat diese als unbehandelt betrachtet. Er sagte, die gehen nicht zum Psychologen, also ist eigentlich kein Unterschied zwischen denen, die zum Psychologen gegangen sind und denen, die nicht zum Psychologen gegangen sind. Bergin sagt, aber die gingen oftmals schon zu Leuten, die mit ihnen gesprochen haben. Allen Bergin kommt dann 1971 in einer Veröffentlichung zum Schluss, insgesamt haben Therapien aber einen mäßigen Nutzen. Das war eine Bombe! Aber das ist noch nicht das letzte Wort, Sie müssen wissen, die Geschichte geht weiter. Und dann stellt er auch noch fest, es gibt aber auch eine ganze Reihe von Leuten, denen geht es nach der Therapie schlechter als vorher! Das ist ein kleinerer Teil, heute wären das vielleicht 10%. Aber die gibt es auch. Die Frage ist, woran liegt das? Das muss man durchaus auch noch anschauen. Der Streit geht weiter. Da gibt es eine ganz umfangreiche Studie zur Nützlichkeit aus dem Jahr 1980 von Mary Lee Smith u.a. „The Benefits of Psychotherapy“. Die haben sich mit 10.000en von Personen beschäftigt. Eine richtige Riesenstudie. Sie kommen zum Schluss, Therapien haben einen Effekt. Es bringt was. Aber sie stellen fest, keine Therapie ist besser als die andere. Der eine sagt „Freud, das ist es!“, „Nein, C.G. Jung, das ist es!“. Nein, es hat nichts zu tun mit diesen Spezialansichten. Aber Therapie bringt etwas und man kann nicht sagen, die ist grundsätzlich besser als die. Und drittens, die Art der Ausbildung des Therapeuten ist unwichtig. Das ist wieder eine Bombe. Es kommt gar nicht so darauf an, ob er einen Master oder nur einen Bachelor hat. Dann sagen sie, die wirklich heilsamen Faktoren liegen nicht in den psychologischen Theorien. Ja, aber wenn nicht in der Theorie von Freud mit der Couch und dem Grübeln in der Vergangenheit oder nicht in der Anstrengung von Selbstverwirklichung, woran liegt es denn? Das hat später wieder ein ganz führender Psychologe dargelegt, Jerome David Frank, 1909-2005. Er hat herausgearbeitet, sechs Punkte sind ganz ganz wichtig.

1.                                                                                                Eine Beziehung. Da ist jemand mit Schwierigkeiten und er geht zu einer Person, um mit ihr zu sprechen, aber da muss eine Beziehung da sein! Z.B. beim Lehrer als eine Vertrauensperson oder bei den Eltern als Vertrauenspersonen oder eben beim Psychologen.

2.                                                                                                Eine Theorie. Es sei wichtig, dass eine Theorie da ist, es sei nicht so wichtig, welche Theorie, aber eine Theorie. Das heißt, und das ist jetzt wichtig, es geht darum, dass man das, was jemand erlebt, in einen größeren Zusammenhang stellen kann. „Wissen Sie, Sie sind gar nicht komisch, diese Schwierigkeit haben viele andere auch.“ Das ist oft so, dass mit diesen Erlebnissen so etwas ausgelöst werden kann: „Aha, ich bin gar nicht so komisch.“ Darum in einen größeren Zusammenhang stellen, eine Erklärung bringen, warum kann das so sein, das hat man so viel beobachtet. Das hilft!

3.                                                                                                Information. Der, der berät, der muss Information geben „Ja, das habe ich bei so und so vielen Leuten auch erlebt. Und als ich das und das geraten habe hat das wirklich eine Verbesserung gebracht.“ Aha, der Patient wäre nicht auf die Idee gekommen, dass man das machen könnte. Zum Beispiel hat einer eine Studentendepression und dann wird man informiert, schlafen ist ganz wichtig. Und ein regelmäßiger Lebensstil. Auch gesund, normal essen. Essenszeiten haben. Da muss man Informationen geben. Aha, das ist deswegen.

4.                                                                                                Soziale Position des Therapeuten. Es ist wichtig, dass der, der sich beraten lässt, dass er hinaufschaut zu der Person. Also eine Person, die eben auch Informationen geben kann, die er nicht hat.

5.                                                                                                Erfolg des Patienten. Zwei Wochen später trifft man sich wieder. Wie geht es? - Schon besser. - Siehst du, es hat was gebracht. Jetzt machen wir auf dieser Schiene weiter. Der Erfolg macht Mut zum Weitergehen.

6.                                                                                                Katharsis. Reinigung. Also man muss, um nochmals auf diesen Studenten zurückzukommen, den Lebensstil ändern. Das war jetzt ein einfaches Beispiel, es gibt natürlich auch komplizierte Sachen. Du darfst nicht mehr so leben wie vorher. Der, der Hilfe sucht, muss bereit sein, in seinem Leben auch Dinge zu ändern. (Der Student soll nicht denken, aber es ist so toll, als Student ist man ungebunden, man kann machen was man will. Jaja. Dann eben die Probleme!) Darum ist Katharsis auch sehr wichtig!

7.                                                                                                Der Therapeut. Es kommt sehr stark auf den Therapeuten an. Wie der mit den Leuten umgeht. Es gibt Therapeuten, die haben sehr wenig Erfolg und andere haben viel mehr Erfolg. Es gibt ein chinesisches Sprichwort, das sagt: Wer kein freundliches Gesicht hat, soll auch keinen Laden aufmachen. Das ist so! Wenn der Patient merkt, man geht auf ihn ein und man begegnet mit ihm mit Freundlichkeit, einer Achtung, das hilft enorm! Man hat sogar herausgefunden, Therapeuten sind gefährlicher als ihre Methoden. Man hat auch herausgefunden, es ist sehr wichtig, dass der Therapeut sich auch ständig verbessern will. Und den Patienten regelmäßig fragt. Hätten Sie einen Vorschlag, was ich von meiner Seite aus besser machen könnte. -> Feedback. Man hat gesehen, Feedback führt zu viel effizienteren Erfolgen.

Sehen wir, all diese Punkte hängen nicht zusammen mit diesen weltanschaulichen Gebäuden, die dort aufgebaut sind. Um die geht es gar nicht! Aber es ist wichtig, dass man Menschen hat, die ein offenes Ohr haben, zu denen man gehen kann, mit denen man sprechen kann. Die auch mitfühlen und einen nicht verachten und denken „der ist ja sowieso immer so“.

IV.   Biblische Seelsorge und seelische Gesundheit.

Das führt uns zur biblischen Seelsorge. Die Pastoren haben von alters her immer eine ganz wesentliche Rolle gespielt. Wenn wir uns ein paar Gedanken machen zum Schluss über biblische Seelsorge und seelische Gesundheit. Nicht wahr, die Psychologie hat eigentlich die Frage gestellt „Was ist der Mensch?“, aber diese Frage hat schon König David vor 3000 Jahren im Psalm 8 gestellt. Und man kann sagen, 140 Jahre Psychologiegeschichte hat die Frage nicht beantworten können, was der Mensch ist. Man hat riesige Gebäude aufgebaut [Gedankenkonstrukte], wo Gott keinen Platz hat, man hat viele richtige Beobachtungen gemacht, die hilfreich sind oder hilfreich sein können, aber wenn es darum geht „Was ist der Mensch?“, dann brauchen wir die Information von jemand, der wirklich weiß, was der Mensch ist. Wir haben es nicht herausgefunden, man kann nicht sagen, heute weiß man, was der Mensch ist. Eine Maschine? Oder ein Abfallhaufen der Zivilisation mit vielen Symbolen aus Archetypen von früher? Was ist der Mensch? Die Bibel sagt von sich selber, dass sie Gottes Wort ist, 2. Timotheus 3, 16 „Alle Schrift ist von Gott eingegeben“. Diese Bibel sagt uns, der Mensch ist erschaffen worden im Bild Gottes (1. Mose 1, 27). Empirische Wissenschaft kann den Menschen nicht verstehen, aber er kann Teile richtig beobachten und beschreiben und das hat auch seinen Wert, aber er kann seinen Wert im Tiefsten nicht verstehen. Warum? Weil man in der säkularen Psychologie die Existenz Gottes ignoriert. Der Mensch ist im Bild Gottes geschaffen und wenn man Gott ignoriert, dann weiß man gar nicht, was der Mensch ist. Wie sollen wir wissen, wer Gott ist? Nur Gott kann uns durch Offenbarung zeigen, wer Gott ist und dann auch, wer der Mensch ist. Diese Frage „Was ist der Mensch?“ beantwortet uns die Bibel. In Sprüche 30, 4 steht in Bezug auf Gott „Was ist sein Name, und der Name seines Sohnes, wenn du es weißt?“ Eine alttestamentliche Frage von Agur Ben Jake. Nun, die Bibel lehrt, der Mensch ist eine Einheit von Körper, Seele und Geist. 1. Thessalonicher 5, 23 „... und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde untadelig bewahrt bei derr Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“ Ganz Wesentlich ist für den Menschen die Beziehung zu Gott. Es gibt entweder die Beziehung zu Gott oder die Beziehung zu den Abgöttern, aber der Mensch steht immer in einer Beziehung. Der Mensch ist nicht einfach autonom, darum müssen wir auch essen. Das habe ich einer Frau mit Anorexie erklärt. Warum essen wir? Das soll uns jedes Mal erinnern, dass wir nicht aus uns selber existieren können. Gott existiert in sich selber absolut, aber wir sind Geschöpfe und wir können nur mit Input leben, darum müssen wir essen. Gott hat es sogar so eingerichtet, dass wir beim Essen sogar noch Freude haben dürfen und dann Beziehung leben, z.B. in der Familie. Aber ganz Wesentlich ist die Beziehung zu Gott. Wenn wir die Beziehung zu Gott nicht haben, dann ist es eine Beziehung zu Abgöttern, zum Ersatz von Gott. Die Bibel ist eine Gebrauchsanweisung zum Menschsein, sie macht uns klar, Missachtung von göttlichen Geboten kann auch zur seelischen Krankheit führen. Verstehen Sie mich richtig, ich habe nicht gesagt, seelische Krankheit ist Missachtung der Gebote, nein, aber Missachtung von Geboten kann zu seelischen Krankheiten führen. Die Bibel zeigt uns, wie man die Pflege von Ehebeziehungen ausüben muss, mit wunderbaren Beispielen und Belehrungen. Sie zeigt auch, wie wichtig die Werte von Hingabe, Liebe und Treue sind. Skinner, der Mann mit den Ratten, konnte mit diesen Ausdrücken nichts anfangen! Aber das sind ganz wesentliche Dinge, damit es geht! Damit wir gesunde Familien und Ehen fördern können. Und Kindererziehung gemäß biblischen Normen. Die Bibel erkärt uns, wie man Kinder erziehen soll. Sie gibt uns biblische Moral für Arbeit und Alltagsleben. Es geht nicht darum, dass ich mich verwirkliche und durchsetze, sondern auch die Frage, wie ist das jetzt mit dem anderen? Die Bibel zeigt uns, es gibt einen Gott, der interessiert sich für uns, für unser gesundes Leben aber auch für unser krankes. Psalm 23, 1 „Der Herr ist mein Hirte.“ David, der Schafshirte, beschreibt sich als Schaf und der Herr, Gott, ist der Hirte, der sich kümmert um die Schafe. Der immer genau beobachtet, was mit den Schafen ist. Er setzt sich für sie ein, bei Gefahren kommt er mit den Stöcken und dem Stab. Das schreibt er so wunderbar in Vers 4 „...dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich.“ Mit dem Stecken wurden böse Tiere erschlagen und die Bibel sagt, Gott kümmert sich so um uns, beziehungsweise, er möchte sich um uns kümmern. 1. Petrus 2, 25 sagt „... ihr seid jetzt zurückgekehrt zu dem Hirten und Aufseher eurer Seelen.“ Welches griechische Wort steht in diesem Vers für Seele? Psyche. Da ist die allererste Adresse! Natürlich können uns Menschen auch weiterhin eine Hilfe sein und darüber spricht die Bibel auch. Sie spricht gerade auch darüber, wie es in der Gemeinde aussieht, das aufeinander achten, ein offenes Auge haben für die anderen. Nicht wie eine Geheimpolizei, sondern ein offenes Auge für die Bedürfnisse haben, auf die eingehen und da Hilfestellung geben. Der Herr Jesus selber, er ist der Hirte und Aufseher eurer Seelen. Ihm liegt an unserer seelischen Verfassung. Stellen Sie sich vor, man ist in einer Depression, man hat da sowieso das Gefühl, niemand versteht einen, vielleicht hat man auch das Gefühl, Gott versteht mich auch nicht. Aber die Bibel sagt, er versteht uns. In Jesaja 63, 9 heißt es von Gott „In all ihrer Bedrängnis [da geht es um Drangsal von Menschen] war er bedrängt“. Das heißt, dass Gott so mitfühlt, wie wenn unsere Probleme Seine Probleme wären. Da bekommt man auch ein ganz anderes Verhältnis zum Leiden, auch zum seelischen Leiden. Es geht auch gar nicht in allererster Linie darum, dass man sofort gesund wird, sondern Gott kann diese schwere Dinge, die wir im Leben durchmachen, benutzen, um uns zu formen. Ein ganz guter Physiotherapeut hat meiner Tochter beigebracht „der Schmerz ist dein Freund“. Was? Natürlich! Wenn man keine Schmerzen hätte, dann würde man sich in der Küche verbrennen und ganz schlimme Verletzungen haben. Der Schmerz ist mein Freund, denn er zeigt mir, da ist ein Problem, pass auf. So ist es eigentlich grundsätzlich mit allen Arten von Leiden. Sie sind nach der Bibel nicht einfach sinnlos. Gott fühlt mit uns und er führt uns durch diese schwierigen Täler hindurch. David sagt in Psalm 23, 4 „Wenn ich wanderte im Tal des Todesschatten, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir,...“ Das sind diese schwere Wege. Aber wenn ich sage, Gott will uns führen, dann müssen wir zuerst eine Beziehung zu ihm bekommen. Das ist ja das Problem, dass wir nicht einfach mit einer Beziehung zu Gott aufwachsen. Ich weiß nicht, wann Sie sich zum ersten Mal mit dem Gedanken „Gott, Schöpfer“ in der Kindheit konfrontierten. Das ist ganz unterschiedlich. Auch mit der Frage „Kann man mit Gott eine Beziehung bekommen?“ „Wo ist Gott?“, „Wie kann ich ihn erfahren?“. Nun, die Bibel zeigt uns, dass wir ohne Beziehung zu ihm aufwachsen und weil der Mensch eine Beziehung haben muss, ist dann unsere Beziehung eine Beziehung zu Abgöttern. Zu Dingen im Leben, die eigentlich ein Ersatz für Gott sind. Aber die Bibel sagt, dass Gott uns sucht und er möchte jeden Einzelnen zu sich ziehen. Römer 2, 4 sagt, dass Gott langmütig uns zieht, „oder verachtest du den Reichtum seiner Güte und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?“ Wenn ein Mensch sagen kann, ich bin eigentlich ein Gottsucher, dann muss man suchen, dass ist nicht, weil man so ein toller Mensch ist und Gott sucht. Römer 3 sagt, da ist keiner, der Gott suche. Wir sind eigentlich weg von Gott und wir würden auch nicht auf die Idee kommen, Gott zu suchen. Aber wenn wir beginnen Gott zu suchen, dann ist es, weil er bereits uns zieht. Da muss man sehr darauf achten, wie Gott zu uns spricht und wie er auch durch Nöte im Leben spricht. Es zeigt sich, dass die meisten Menschen im Zusammenhang mit Krisen und Nöten zum Glauben kommen. Aber es muss nicht so sein. Man könnte sich doch sagen, Psalm 104, 1-2 „Preise den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Man könnte Gott suchen, indem man sich überlegt, warum geht es mir eigentlich so gut? Ich habe schon Probleme, aber ich meine im Vergleich mit anderen Leuten, denen geht es so  mies, warum geht es mir so gut? Dass man Gott sucht, weil er einem schon so viel Gutes getan hat. Aber oft ist es so, dass wir erst dann zu suchen beginnen. So benutzt Gott seelische, innere Nöte und Kämpfe aller möglichen Couleur, um uns zu sich zu ziehen. So gibt das überhaupt einen ganz anderen Blick auf das Leiden. Leiden ist nicht einfach sinnlos. Es gibt Leute, die sagen, hätte ich nie diese Krise erlebt, ich wäre ohne Gott gestorben. Die Bibel sagt, wenn ihr ohne Gott sterbet, nachher gibt es keine Möglichkeit mehr, eine Beziehung zu Gott zu bekommen. Das ist definitiv. Die Entscheidung muss während unseres Lebens hier auf Erden fallen.

Wir haben gesehen, dass manche psychologische Gebäuden, die haben betont, der Mensch ist eigentlich gar nicht schuldig. Genau das Gegenteil sagt die Bibel, dass jeder Mensch die Gebote Gottes gebrochen hat und vor Gott schuldig geworden ist. Und jetzt? Es gibt eine Therapieart, dass man sich sagt, man muss die Schuldgefühle bekämpfen und wegkriegen. Wenn die Schuldgefühle zusammenhängen mit konkreter Schuld, dann muss man doch die Schuld wegkriegen und nicht die Schuldgefühle. Das wäre sonst so, wenn ich mit meinem Auto fahre und plötzlich kommt ein gelbes Lichtchen, das ist so eine gelbe Kanne mit diesem Tropfen dran, dann könnte ich sagen, das ist ekelhaft, dieses Licht stört mich beim Fahren, es lenkt irgendwie ab, ich nehme ein kleines Hämmerchen und schlage es tot und fahre weiter. Dann ist mein Auto auch tot. Die Schuldgefühle nutzen was, wie der Schmerz unser Freund ist, denn es zeigt uns, da ist ein Problem und die Bibel sagt uns, wenn wir ganz ehrlich unsere Schuld bekennen und bereuen, ist Er bereit, uns zu vergeben. Weil Jesus Christus die Strafe, die wir von einem gerechten Gott verdient hätten, bereits am Kreuz getragen hat. Da hat mir letztens jemand gesagt: „Ich glaube das schon alles, aber vieles ist für mich nicht einleuchtend. Warum musste Jesus Christus leiden und dadurch kann man gerettet werden? Es mussten schließlich schon viele Menschen leiden.“ Schließlich habe ich dann herausgefunden, diese Person meinte, dass der Kreuzestod von Jesus Christus, was unsere Sünden gesühnt, in Ordnung gebracht hat, das sei das gewesen, was die Menschen ihm angetan haben. Aber man kann sagen, als die Menschen ihn gekreuzigt haben mit Nägeln, als sie ihn geschunden und geschlagen und angespuckt haben, das hat keine einzige Schuld von uns weggetan. Das hat nur gezeigt, wie schlimm der Mensch ist. Aber in den drei Stunden, als diese Finsternis war und Jesus Christus geschrien hat „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, da hat Gott ihn mit unserer Schuld beladen und ihn gestraft, für das, was unsere Strafe in Ewigkeit gewesen wäre. Da! Das waren die sühnenden Leiden! Das ist Gottes Angebot, Gott ist bereit uns jede Art von Schuld zu vergeben, wenn wir sie nur bekennen und Gott danken für die Vergebung. Das kann viele seelische Nöte lösen. Ich habe nie gesagt, dass seelische Probleme einfach nur mit Schuld zusammenhängen, hängen Sie mir das ja nicht an, aber viele Nöte hängen damit zusammen. Oder auch mit zwischenmenschlichen Problemen, da hängt es ja auch wieder mit Schuld zusammen. Wenn diese Schuld nicht gelöst wird, dann sind wir immer gefangen. Das ist so wunderbar, in der biblischen Seelsorge kann man nicht nur die Faktoren, die heilsam sind, anwenden, wie das überall gemacht wird in der Psychologischen Beratung, wenn man über die Probleme spricht und sich überlegt, was kann man ändern, wie kann man vorgehen, wie könnte man das lösen? Aber da kommt es dazu, dass wir Gott haben, der sich für unsere Probleme interessiert und der auch aktiv in unser Leben eingreift und uns auch diese Schuld wegnimmt und wirklich viele Krämpfe auflöst, sodass die Beziehung mit Gott ganz neu werden kann und auch die Beziehung mit Mitschen. Auch z.B. in de Ehe, dass Ehen, die ganz am Boden sind, können wieder geheilt werden. Natürlich gibt es riesige Probleme, aber diese Probleme müssen gelöst werden und das tut man in der säkularen Psychologie nicht. Das Problem der echten Schuld und der echten Vergebung. Auch die Beziehung zu Gott, sie wird ausgeklammert, dabei macht es das ganz Wesentliche aus, denn wir können den Menschen nicht verstehen ohne Gott. Das ist völlig ausgeklammert, alles läuft auf der Horizontalen ab und die Vertikale wird so behandelt, wie wenn es nichts wäre. Auf längeren Fahrten höre ich ab und zu Radio, wenn ich nicht ein Beethoven Klavierkonzert höre oder irgendsowas anderes und wissen Sie, eine Radiosendung, die ich gerne höre, ist ein französischer Sender „La ligne de coeur“. Am Abend kommt das. Die Leute rufen abends an und da ist ein Spezialist, ein Berater da. Da werden alle möglichen leichtere und ganz schwierige Probleme besprochen. Ich höre zu, weil es mich interessiert, wie das besprochen wird. Um am Puls der Zeit zu sein. Wie denken die Menschen? Aber es ist so beklemmend zu sehen, es bleibt alles auf der Horizontalen. Es kann mal vorkommen, dass Gott erwähnt wird, aber dann ist es schon wieder weg. Das Wesentliche ist einfach ausgeklammert, dabei wäre gerade das der Anknüpfungspunkt, wie können wir den kennenlernen, der der gute Hirte ist. Wenn das für uns gelten kann, 1. Petrus 2, 25 „... ihr seid jetzt zurückgekehrt zu dem Hirten und Aufseher eurer Seelen.“ Das als praktischer Input am Schluss dieses Vortrags.