Wilhelm Busch – Ein köstliches Weihnachtsgeschenk im Jahr 1944

 

Weihnachten 1944

»Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn umleuchtete sie, und sie fürchteten sich sehr... Und der Engel sprach zu ihnen: >Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude.<« (Lukas 2, 9-10a)

 

Als ich nachdenklich die Weihnachtsgeschichte las, habe ich eine seltsame Entdeckung gemacht. Der erste Teil dieser Geschichte, der in Bethlehem spielt, handelt vom Sohn Gottes. Nun sollte man doch erwarten, dass es da in lauter Glanz und Herrlichkeit zuginge. Aber nein! Wir sehen nur eine Krippe, riechen den Stallgeruch. Ja, es ist geradezu peinlich alles vermieden, was von der Herrlichkeit des Sohnes Gottes zeugen könnte. Der zweite Teil der Geschichte, der auf dem Feld spielt, handelt von armen Hirten. Da sollte man doch annehmen, dass es da recht armselig zuginge, dass man da nichts an­deres sähe als Armut und Rauheit. Man erwartet Stall­geruch. Und was finden wir? Himmelsglanz, Herrlichkeit und Engelsharmonien. Eine seltsam verdrehte Welt!

Damit deutet der Heilige Geist etwas Wichtiges an. Unsere Armut ist nämlich auf den Sohn Gottes gefallen, seine Herrlichkeit aber ist zu uns gekommen. Nikolaus Hermann sagt das in einem Lied so: »Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein!« Und Paulus drückt dasselbe in 2. Korinther 8, 9 so aus: »Er ward arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet.«

Da ist also die Rede von der seligen Weihnachtsbe­scherung, die uns das Kind in der Krippe bereitet.

 

1. Er schenkt uns seine himmlische Herrlichkeit

Habt ihr schon mal Heimweh gehabt? Eine schlimme Sache. Als der Sohn Gottes auf Erden war, hat auch er Heimweh gekannt. Das kommt ergreifend zum Ausdruck in Johannes 17, 5, wo er betet: »Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.« Da hören wir, dass der Herr Jesus von Anfang an bei seinem Vater »Klarheit« hatte. Es steht da im Griechischen ein Wort, das man kaum übersetzen kann: Es bedeutet »himmlische Klarheit, Glanz und Herrlichkeit« (Griechisch: Doxa). Aber als er nun als schwaches Kind in der Krippe liegt, da hatte er keine »Doxa« mehr. Wo ist sie denn hingekommen? Ja, seht nur mal schnell hinaus auf das Hirtenfeld! Was sehen wir da? Die Klarheit, die Doxa des Herrn, umleuchtet die Hirten. Ja, er ist arm geworden, auf dass wir durch seine Armut reich würden. Das ist sein Weihnachtsgeschenk für die, die an ihn glauben, dass sie seine Klarheit und Herrlichkeit bekommen.

Wohl, der Glanz auf dem Hirtenfeld ist schnell erloschen. Aber seht nur die Hirten an, wie sie von Bethlehem zurück­kehren: »Sie priesen und lobten Gott.« Da ist die »Doxa« in ihr Herz und Leben gekommen, wie sie zu allen kommt, die an Ihn glauben.

Vielleicht sagt nun ein Weltmensch spöttisch: »Ja, ich sehe aber nichts von eurer Herrlichkeit. Es geht bei euch ebenso armselig zu wie bei uns.« Antwort: Nein! Wir Christen singen mitten im Leide und Jammer der Tage: »Freude, Freude, über Freude, Christus wehret allem Leide.« Da ist

die »Doxa«. Und im übrigen ist das, was wir jetzt haben, erst ein Angeld auf die zukünftige Herrlichkeit. Johannes sagt: »Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir ihm gleich sein werden« (1. Johannes 3, 2).

 

2. Er schenkt uns seine Geborgenheit

Wenn die Bibel die ewige Welt Gottes schildert, dann sagt sie immer wieder, dass da »kein Leid und kein Geschrei und keine Angst« ist. Und in dieser ewigen Welt, wo man im starken Gott völlig geborgen ist, hat der Sohn Gottes gelebt, ehe er Mensch wurde.

Aber nun liegt er als Kind in der Krippe. Und damit ist er in die Welt geraten, wo man Angst und Furcht haben muss. Schon trachtet man ihm nach dem Leben, und seine Eltern müssen mit ihm nach Ägypten fliehen. Und im Erwachse­nenalter beginnt die Furcht erst recht. Wir sehen ihn in Gethsemane zittern. Und in Lukas 12, 50 sagt er: »Ich muss mich taufen lassen mit der Leidenstaufe. Und wie ist mir so bange, bis sie vollendet werde.« Ja, wo ist denn seine Ge­borgenheit und Furchtlosigkeit hingekommen? Schaut nur schnell hinaus auf das Hirtenfeld! Da steht gerade der Engel des Herrn vor ihnen, den Hirten, und verkündet ihnen: »Fürchtet euch nicht!« Und warum? »Euch ist heute der Heiland geboren!« Wiederum ist es so: »Er wird arm, dass wir durch seine Armut reich würden.« Der Sohn Gottes geht in die Angst und Unbeschütztheit hinein, damit wir Kinder Gottes werden und dadurch seine Geborgenheit und Furchtlosigkeit erben. »Fürchtet euch nicht!« Das ist doch ein köstliches Weihnachtsgeschenk im Jahr 1944. Es ist ja so viel Furcht bei uns: Furcht vor dem, was kommt, Furcht vor Menschen, Furcht vor dem Tod, Furcht vor Schrecken, und Gott gebe, dass wir die wichtigste Furcht kennen: die vor dem Zorne Gottes über alle unsere Sünde.

Und nun will uns das Kind in der Krippe zu Kindern Gottes machen und uns seine Geborgenheit beim himmlischen Vater schenken. Da ist man wirklich geborgen. Da braucht man keine Furcht mehr zu haben vor Schrecken, Tod und Teufel, ja auch nicht mehr vor dem Jüngsten Tag und Ge­richt Gottes. »Nun soll kein Angst noch Pein noch Zorn hinfort uns schaden, dieweil uns Gott aus Gnaden lässt seine Kinder sein.«

 

3. Er schenkt uns seine Freude

In einem alten Lied heißt es: »Im Himmel, im Himmel ist Freude so viel...« In dieser Welt ewiger Freude hat der Sohn Gottes gelebt, ehe er als Mensch in Bethlehem ge­boren wurde. Und nun liegt er da im Stall. Von da geht sein Weg schnurstracks zum Kreuz. Da ist die Freude fort. Im Hebräerbrief heißt es in Kapitel 12, 2: »Er, der wohl hätte mögen Freude haben, erduldete das Kreuz und achtete der Schande nicht...«

Ja, wo ist denn seine himmlische Freude hingekommen? Geht noch einmal mit mir hinaus auf das Feld zu den Hirten. Da steht der leuchtende Gottesbote vor den Hirten und verkündet: »Siehe, ich verkündige euch große Freude.« Zu den armen Hirten, zu den freudlosen Sündern ist sie gekommen. Und zu allen anderen, die an ihn glauben als ihren Heiland und Erlöser. Wieder heißt es da: »Er ward arm um unsretwillen, auf dass wir durch seine Armut reich würden.«

Er geht den dunklen Weg über Krippe und Kreuz, damit die Freude zu uns kommt. Oh, wie ist die Freude zu den Hirten und allen, die an den Sohn Gottes glauben, ge­kommen! Die Hirten, so sagten wir schon, »priesen und lobten Gott«.

Ich kam vor kurzem in ein Haus, in dem man viel Schweres erlebt hatte, der Sohn war gefallen, das Haus war ausge­brannt, viel Schweres war vorgekommen. Und da sangen sie gerade: »Jesu, wie soll ich dir danken? Ich bekenne, dass von dir meine Seligkeit herrühr...« Nicht wahr, das ist eine tiefe Freude, die alle Welt nicht geben kann. Da ist die himmlische Freude, die der Heiland auf die Welt gebracht hat, die er gewissermaßen an uns ab­getreten hat. Von ihm heißt es: »Er lud auf sich unsre Schmerzen« (Jesaja 53, 4). Du darfst im Glauben ruhig deine Schmerzen und Nöte dazulegen und dir von ihm seine himmlische Freude geben lassen. Es gibt viele, die sagen: »Das gibt in diesem Jahr ein armes Weih­nachtsfest!« Für viele mag das stimmen. Wer aber im Stall zu Bethlehem eingekehrt ist und sich vom Heiland be­schenken lässt, für den stimmt das nicht. Der singt auch in diesem Jahr aus Herzensgrund: »Des lasst uns alle fröhlich sein, und mit den Hirten gehn hinein, zu sehn, was Gott uns hat beschert, in seinem lieben Sohn verehrt.«